Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
ob er innere Verletzungen hat. Ich werde Anzeige gegen Martinellis Männer erstatten. Und Harry sollte ich wegen Einbruchs verhaften lassen. Er ist mit einem Baseballschläger aufgetaucht und wollte mein Labor zertrümmern, aber Martinellis Männer sind ihm zuvorgekommen.«
»Oh nein, Ty, nicht deine ganze Arbeit.« Libby betrat die Küche. Sam war blass und verschwitzt und atmete schwer. Sie bat Tyson, ihm auf das Sofa im Wohnzimmer zu helfen, weil
sie ihn dort besser untersuchen konnte. In der Zwischenzeit wollte sie den Erste-Hilfe-Kasten aus dem Labor holen.
»Den hole ich schon«, sagte Tyson.
»Ich glaube nicht, dass ich es allein ins Wohnzimmer schaffe«, protestierte Sam. »Du wirst mir helfen müssen.«
»Ich bin sofort wieder da«, sagte Libby. »Besorg mir Handtücher und Wasser.«
Libby sah die Verwüstungen und machte um alles einen weiten Bogen, damit der Sheriff das Labor noch so vorfand, wie es die Männer hinterlassen hatten. An der Rückwand standen Schränke von einer Seite bis zur anderen. Libby begann ihre Suche rechts.
Sie konnte nicht glauben, dass jemand so dumm war, derart wichtige Forschungsergebnisse vernichten zu wollen. Weshalb hätte Martinelli einen so zerstörerischen Akt anordnen sollen, wo er doch selbst in der Pharmaindustrie tätig war? Das leuchtete ihr nicht ein. Nicht einmal Harrys Zerstörungswut war ihr begreiflich. Die Leute waren manchmal so unlogisch. Glaubte Martinelli tatsächlich, sie würde ihm helfen wollen, wenn er anderen schadete und sie bedrohte? Und warum versuchte Harry nicht selbst, dahinterzukommen, was an dem Medikament faul war? Er hätte Ty doch einfach fragen können, wo seiner Meinung nach das Problem lag.
Sie öffnete die Schranktüren weit, aber sie war nicht groß genug, um zu sehen, was auf den oberen Regalen lag. Frustriert zog sie einen Stuhl heran und stieg darauf.
»Libby?«, rief Tyson von oben. Sie konnte das Telefon läuten hören und gleichzeitig das Nahen einer Sirene. Tyson kam zwei Stufen herunter. »Steig von dem Stuhl. Der Kasten ist am anderen Ende. Ich hole ihn.«
Er machte gerade den nächsten Schritt nach unten, als eine Explosion die linke Seite des Labors erschütterte. Libby wurde hochgehoben und ein gutes Stück nach hinten geschleudert, die Fensterscheiben zersprangen, und Ty fiel auf den Rücken.
In der Enge des Kellers war der Knall ohrenbetäubend. Augenblicklich züngelten Flammen an den Wänden empor und tanzten über den Fußboden. Die Explosion löste die Sprinkleranlage in der Decke aus und setzte alles unter Wasser.
»Libby!« Er rief ihren Namen und versuchte, sie durch die Rauchschwaden und das Wasser zu entdecken. Die Welt schien stehen zu bleiben. Sein Herz pochte rasend, und das Blut rauschte in seinen Ohren. Tief in seinem Innern, wo niemand es hören konnte, schrie er seinen Protest heraus, seine blanke Angst, seine garstige Furcht.
Sie lag regungslos da, auf dem Fußboden unter einem umgekippten Tisch zusammengerollt. Eines der größeren Geräte lag auf der Seite und lehnte an dem Tisch, unter dem sie lag.
»Tyson!« Sam war hinter ihm und kam mühsam die Treppe herunter. Er hielt sich die Rippen, aber er folgte seinem Cousin. »Was zum Teufel ist passiert? Wo ist Libby?«
»Sie rührt sich nicht, Sam.« Tyson raste die restlichen Stufen hinunter und bahnte sich einen Weg durch die Trümmer.
»Mach dir keine Sorgen, Ty. Wir holen sie hier raus.«
»Sie rührt sich nicht«, wiederholte Ty, der von Kopf bis Fuß von Entsetzen gepackt war. Er kannte keine Panik, hatte sie in keiner Lebenslage jemals verspürt, und doch begriff er, dass er dicht davor stand. Grauen und Wut hatten ihn gleichzeitig gepackt – eine mörderische Kombination, die ihn beben ließ, an seinen Eingeweiden fraß und auf seinen Verstand eintrommelte. Das durfte nicht passieren. Nicht Libby.
Er stieß Stühle, einen Computer und sogar Glas aus dem Weg, um zu ihr zu gelangen. Sie lag da wie eine zerbrochene Puppe. Das Haar fiel über ihr blasses Gesicht, und sie hatte sich die Hände über den Kopf geschlagen, als hätte sie im letzten Moment die Arme zu ihrem Schutz hochgerissen. Ihre Arme sahen versengt aus. Tyson sank inmitten der Glasscherben und sonstigen Trümmer auf die Knie. »Libby. Schätzchen. Mach die Augen auf.« Er ließ seine Hände über ihren Körper
gleiten. Sie erschien ihm so zart, so klein und zerbrechlich. Sie rührte sich nicht, aber sie atmete noch. »Sie ist am Leben«, teilte er Sam mit. Bis auf ein paar
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