Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
widerstrebend ihre Hand los, als er sich herunterbeugte, um einen Kuss auf ihr Haar zu hauchen. »Ich komme morgen wieder, Libby. Sag dem Wächter Bescheid, damit ich reingelassen werde.«
»Falls du von meiner Schwester sprichst, sie heißt Sarah.«
»Du hast eine Menge Schwestern.« Er ging, blieb aber in der Tür noch einmal stehen und sah sich nach ihr um.
Libby konnte spüren, dass ihr Herz viel zu schnell schlug. Sein Gesichtsausdruck war so – ausgehungert. Und fürsorglich. Und voller Sehnsucht. Dazu kam noch, dass er aussah, als sei es ihm ein echtes Anliegen, sie zu beschützen.
»Du solltest sehen, dass du dich ausruhst.«
»Das werde ich tun, Ty«, versicherte sie ihm. Als er die Tür schloss, stieß sie den Atem aus, den sie ohne ihr Wissen angehalten hatte.
»Ist er weg?«, fragte Sarah, als sie sich ins Zimmer wagte.
»Ja.«
»Kleines.« Sarah strich Libby liebevoll über den Kopf. »Dieser Mann kann einen schlichtweg um den Verstand bringen. Ich kann spüren, dass du dich zu ihm hingezogen fühlst, aber er ist ja ein solcher Spinner.«
»Er ist brillant. Er spricht mehrere Sprachen, er kann über jedes Thema reden, über das ich mich gern unterhalte, und er ist ein unglaublich scharfer Typ. Er macht mich total an. Und küssen kann er auch!« Libby blickte zu Sarah auf und fühlte sich ein wenig verloren. »Er ist brillant, und das wirkt auf mich wie ein Aphrodisiakum.«
»Ich halte für wahrscheinlicher, dass es das Syndrom des verwundeten Vögelchens ist.«
»Was soll das denn sein?«
»Ich rede von deinem unstillbaren Verlangen, Bedürftigen zu helfen. Und wenn jemand Hilfe braucht, dann ist das Tyson Derrick.«
Libby schnitt eine Grimasse. »Jetzt willst du mich schon wieder zum braven Mädchen machen. Libby die Heilige. Mir wäre es lieber, wenn die Anziehungskraft rein sexueller Natur wäre. Ich möchte endlich das böse Mädchen sein. Die böse Libby ist mehr nach meinem Geschmack.«
Sarah stöhnte. »Ja, klar, denn alle bösen Mädchen lieben es,
wenn man ihnen sagt, sie sind so blass, dass sie noch mehr als sonst wie ein Gespenst aussehen. Ich wäre fast erstickt, als ich das gehört habe, und Hannah hätte ihn auf der Stelle in eine Kröte verwandelt.«
Libby brach in lautes Gelächter aus. »Auf diese Form von Komplimenten versteht der Kerl sich wirklich, stimmt’s? Und das Schlimmste daran ist, dass ich tatsächlich anfange, seine unmöglichen Komplimente liebenswert zu finden.«
Sarah verdrehte die Augen. »Bei dir ist Hopfen und Malz verloren. Und das bestätigt nur, was ich meine. Du könntest dich noch so sehr anstrengen und doch nicht böse sein, weil es einfach nicht deinem Naturell entspricht. Außer dir fände kein Mensch hier auf diesem Planeten diesen Kerl liebenswert. Er hat etwas von einem Stachelschwein. Komm ihm zu nahe und die Stacheln bleiben in dir stecken.«
»Er ist wirklich ziemlich goldig.«
»Dieser Mann fühlt nicht wirklich etwas. Wenn er Gefühle hat, analysiert er sie sofort.«
»Du täuschst dich, Sarah. Im Übrigen ist er nicht ›dieser Mann‹. Er heißt Ty oder Tyson.«
»Tut mir Leid, Schätzchen.« Sarah zerzauste Libby das Haar. »Trink deinen Tee.«
»Ich weiß, dass nichts daraus werden kann«, sagte Libby. Sie hörte das Bedauern in ihrer eigenen Stimme und blickte finster.
»Nicht zwangsläufig«, sagte Sarah und schämte sich sofort dafür, als sie die unverhohlene Sehnsucht im Gesicht ihrer Schwester sah. Sie wünschte sich doch nur, sie könnte alle Männer ins Herz schließen, auf die die Wahl ihrer Schwestern fiel. Aber es war ihr unvorstellbar, Tyson Derrick mit der Zeit gern haben zu können. »Das Schloss ist vom Tor gefallen, und das Haus hat ihn eingelassen. Es hat nicht den geringsten Widerstand geleistet, Libby, ist dir das aufgefallen?«
»Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, seinen strammen
Körper zu bewundern. Das ist doch nicht fair, Sarah, er sollte entweder Grips oder Muskeln haben, aber doch nicht beides.«
Sarah lachte. »Elle hat es gar nicht gefallen, dass wir ihn von dir fern gehalten haben. Sie hat gesagt, wir sollten die Dinge ihren Lauf nehmen lassen.«
»Was soll das denn heißen?« Libby war entsetzt. »Was weiß sie überhaupt?«
»Elle sagt nie ausdrücklich, was sie meint, aber sie hat sich uns glühend widersetzt. Es ist schwierig für sie, einerseits die Privatsphäre einer jeden von uns zu wahren und uns andererseits vor Dummheiten zu schützen.«
»Das Leben ist so kompliziert für
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