Gezeiten des Krieges
Gesichtsausdrucks. Trotz adliger Herkunft und politischer Erfahrung konnte man Anna Lu Pohl ihre Gefühle an der Nasenspitze ansehen.
»Ärger«, bestätigte sie. »Nachrichten von New Aragon.« Sie hob in einer einfachen, majestätischen
Geste den Kopf. »Wenn Sie uns jetzt bitte alle entschuldigen wollen.«
Bis auf den Stabschef der Gouverneurin, der sich nur von einem direkten Befehl beeindrucken ließ, verließen alle Anwesenden den Raum. Gerald Tsung war groß und breitschultrig und passte eher in eine Uniform als in einen Mao-Anzug. Er besaß einen scharfen Verstand und Ruskov vermutete öfter, er habe einen ebenso großen Einfluss auf die Politik der planetaren Regierung wie Gouverneurin Lu Pohl.
Der Legat setzte sich, nickte Tsung steif zu und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gouverneurin. »Sollten wir eine Telekonferenz mit Lordgouverneur Hidi? anberaumen?« Als politischer Führer der Präfektur V, deren Zentralwelt Liao war, griff Marion Hidi? häufig beratend in die planetaren Belange ein. Dabei war auch hilfreich, zumindest nach Ruskovs Ansicht, dass Hidi? gegenüber capel-lanischen Vorstößen weit weniger tolerant war als die Gouverneurin.
»Marion ist hierher unterwegs«, erklärte diese knapp, was Ruskov eine Vorstellung davon vermittelte, wie ernst die Neuigkeiten sein mussten. Mit Sicherheit waren dieselben Daten auch auf dem Weg in sein Büro. Wie üblich hatten die Politiker einen Weg gefunden, das Verfahren abzukürzen. »Was haben Sie von diesem Ritter Michaelson erfahren?«
»Ich schicke Ihnen den vollen Bericht, so schnell es geht. Kurz gesagt ist Exarch Redburn mit einem blauen Auge davongekommen. Northwind hat den eigentlichen Preis bezahlt und die Highlanders waren zur Stelle, um noch mehr Schaden abzuwenden. Ich würde sagen, der Schreck über den Angriff auf das Solsystem war das Schlimmste.«
»Was uns zur großen Frage bringt«, mischte sich Gerald Tsung ein. »Können wir auf Hilfe von Terra und Exarch Redburn zählen?«
Der Soldat Viktor Ruskov wollte den Exarchen als politischen und militärischen Herrscher der Republik augenblicklich verteidigen, sein Verstand aber war zurückhaltender. Damien Redburn erfüllte nicht alle Vorstellungen Ruskovs von einem Kommandeur und der Legat schuldete der Republik eine ehrliche Beurteilung.
»Nein. Das können wir nicht.«
»Danke, Viktor.« Lu Pohl nickte. »Shi-fen gän-xie.«
Ihr Akzent war makellos capellanisch. Eine weitere Erinnerung, dass sich Anna Lu Pohl den Gouverneursposten mit ihrer >Das-Volk-geht-vor<-Kampagne gesichert hatte, in der sie versucht hatte zu beweisen, dass man gleichzeitig loyal zur traditionellen Kultur stehen und der Republik dienen konnte. Viktor Ruskov hatte in dieser Hinsicht noch immer seine Zweifel.
Ebenso wie Shun Tao, der höchstrangige Militäroffizier der Präfektur. Taos Umzug nach New Aragon war sinnvoll gewesen, er verließ sich aber darauf, dass Viktor nicht nur die Ijori-De-Guäng-Terroristen im Schach hielt, sondern auch ein Auge auf die Politik Liaos hatte. Wie der Brandanschlag und der Diebstahl des vorherigen Tages bewiesen hatten, war das Erstere schwieriger.
Zumindest glaubte er das noch.
»Hat Präfekt Tao Neuigkeiten über die Probleme auf Menkar oder Wei geschickt?« Auf diesen beiden Welten waren die procapellanischen Demonstrationen und Aufstände am heftigsten.
Gouverneurin Lu Pohl nickte. »Das hat er. Und von anderen Welten ebenfalls. Lordgouverneur Hidig hatte nicht die Güte, uns die Hologrammbotschaft zu überspielen, aber ich vermute, er wird sie mitbringen, damit wir sie in seiner Gegenwart gemeinsam ansehen können. Aber wir kennen die Hauptpunkte. Gerald?«
Tsung reichte seinen Compblock weiter. »Ich vermute, Sie werden detailliertere Berichte erhalten, als wir sie in der Regel zu sehen bekommen. Die Gouverneurin weiß es zu schätzen, vollständig informiert zu sein.«
»Natürlich«, versprach Ruskov.
Sofern Tao ihm nicht befahl, Daten vor der Gouverneurin geheim zu halten, war er verpflichtet, ihr in der von ihr gewünschten Genauigkeit Bericht zu erstatten. Das Militär hatte meist andere Sorgen als das Gerangel zwischen planetaren und präfektoralen Würdenträgern ... besonders in Kriegszeiten.
»Ist das bestätigt?«, fragte er.
»Wir sehen keinen Grund, daran zu zweifeln«, antwortete Gerald Tsung nüchtern. Er übernahm geschmeidig die Unterhaltung, als sich Gouverneurin Lu
Pohl erhob und an ein Buffet trat, um sich ein Glas Pflaumenwein
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