Gezeiten des Krieges
stehen. Dann also ein vertrauliches Gespräch. Ruskov hatte nicht vor, die Diskussion mit einem Ultimatum oder mit Drohungen zu eröffnen.
»Die Studenten und Lehrer, die Sie gefangen nahmen?«, wiederholte er geduldig die Frage.
Evan breitete die Hände aus, dann legte er sie flach auf die polierte Tischplatte. »Es gibt niemanden mehr, um den Sie sich Sorgen machen müssen.«
»Sie ...?« Fast hätte der Legat den Köder geschluckt, dann aber entschied er sich anders. »Sie haben sie freigelassen?«
»Schon vor Tagen. Die Dozenten, die nicht bleiben wollten, die bürgerlichen Studenten, die republikfreundlichen Kadetten. Sie durften alle gehen.«
Der Legat runzelte die Stirn und betrachtete eingehend die Mienen der Anwesenden. Nur wenige drückten irgendetwas anderes als Feindseligkeit aus. »Wir haben nur sechzig Prozent des Lehrkörpers und fünfunddreißig Prozent der Studentenschaft gezählt.«
»Die meisten haben sich entschieden zu bleiben. Ich würde sagen, Ihre Auswahlkriterien waren weniger erfolgreich, als Sie gehofft haben.« Zwei sehr öffentliche Begräbnisse hatten mitgeholfen, sie umzustimmen.
»Alle pro-Konföderation?«, mischte sich der Lieutenant ein. »Unmöglich.«
»Wir sind nur so pro-Konföderation, wie Sie es uns aufzwingen«, schoss Jenna zurück, die nur ein paar Plätze entfernt saß. Ihre Mandelaugen verengten sich zu drohenden Schlitzen. »Das war die ganze Zeit über das Problem, dass Sie jeden als Feind behandeln, der unser Erbe respektiert.«
Ritter Michaelson stand etwas abseits an der Wand. Er schaute über den Tisch zu Ruskov hinüber. »Unabhängig von ihrer politischen Einstellung ist ein ansehnlicher Teil der Kadetten und Studenten der Ansicht, dass republikfreundliche Positionen bevorzugt werden. Sie wissen, dass die Sorge berechtigt ist, sonst hätten Sie diesem Treffen nicht zugestimmt.«
Schon gar nicht einem persönlichen Erscheinen. Offenbar war Legat Ruskov bereit gewesen, der Zusicherung freien Geleits durch die Studenten zu vertrauen.
»Und was ist in all dem Ihre Rolle, Major Michaelson?« Er starrte sein Gegenüber unverwandt an.
Michaelson brach den Blickkontakt ab und drehte Ruskov die zerstörte Hälfte seines Gesichts zu. »Ich versuche, Leben zu retten, Legat Ruskov. Das halte ich immer noch für meine geschworene Pflicht.«
»Eine verdammt seltsame Art, es zu zeigen.«
»Ich war dabei, als Ihr Mann zwei Studenten niedergeschossen hat, Legat. Eine verdammt seltsame Art, die Bewohner Liaos zu beschützen.«
Auch Hahn Soom Gui war stehen geblieben. »Je eher Sie anerkennen, dass die Republik eine Mitschuld an diesem Zwischenfall trägt, desto schneller können wir uns auf Augenhöhe treffen, um die Lage zu entschärfen.« Er legte eine Hand auf den Griff der Waffe. »Bis dahin werden wir das Konservatorium als Zuflucht für alle Einwohner, Bürger und Soldaten verteidigen, die sich uns im Streben nach einem freien Liao anschließen wollen.«
»Was soll das sein, ein freies Liao?«, fragte Ruskov.
Hahn war der Frage gewachsen. »Wir verlangen ein Forum, das sich mit unseren Beschwerden befasst, mit der Zusicherung von Gouverneurin Lu Pohl, dass wir nicht von prorepublikanischen Richtern abgeurteilt werden. Jeder, der das möchte, sollte eine Stimme bei der Wahl der Aufsichtspersonen haben ... nicht nur Bürger der Republik, sondern alle Einwohner Liaos. Das wird die Diskriminierung vielleicht nicht beenden, aber wir werden sie wenigstens öffentlich machen. Es wird Zeit, anzuerkennen, dass Liao in erster Linie capellanisch ist und dann erst Teil der Republik.«
Auf den vielen Gesichtern der versammelten Studenten zeigte sich Ehrfurcht. Ruskov schüttelte den Kopf und Evan hörte, wie hinter seiner Stirn die
Schotten dicht machten. »Diesen Forderungen kann ich nicht zusti mm en.«
»Sie brauchen Ihnen nicht zuzustimmen«, warf Michaelson leise ein. »Nur Gouverneurin Lu Pohl muss es tun.«
»Anna Lu Pohl muss sich vor Lordgouverneur Hidi? verantworten. Er wird sich keine Bedingungen diktieren lassen. Was, wenn andere Welten auf die Idee kämen, die Führung der Republik derart herauszufordern? Was würde uns das bringen?«
»Gleichheit!«, stieß Evan aus und überraschte sich selbst. Jubel und vereinzelter Applaus wurden laut.
»Es gibt andere Möglichkeiten, das zu erreichen. Einige von Ihnen haben sich bereits das Bürgerrecht verdient. Andere arbeiten daran. Falls Sie dem Beispiel der Gouverneurin wirklich nacheifern wollen, sollten Sie
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