Gezeiten des Krieges
innerhalb des Systems arbeiten.«
»Wo Sie uns weiter Steine in den Weg legen«, warf eine andere Kadettin mit brechender Stimme ein.
Michaelson trat vor und legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Legat«, sagte er und wählte seine Worte sorgfältig. »Ich habe ... im Dienste der Republik viel gelitten. Ich habe für sie gefochten und geblutet und ich habe meinen Teil an Fehlern gemacht. Ich habe auch die Prüfungen selbst miterlebt, die Liao über die letzten zweiundzwanzig Jahre erdulden musste. Diese Menschen sind verärgert. Alles, was sie verlangen, ist ein Forum, um sich Gehör zu verschaffen. Wie kann das falsch sein?«
Ruskov zuckte bei der Erwähnung von Fehlern im
Dienste der Republik sichtlich zusammen. Möglicherweise war der Legat doch nicht so immun gegen die enormen Belastungen, denen Liao so oft ausgesetzt war. Er erholte sich jedoch schnell. »Vielleicht könnte Gouverneurin Lu Pohl in der kommenden Amtsperiode Maßnahmen einleiten ...«
»Nein!« Evan schlug mit der Faust auf den Tisch. Michaelson setzte an, etwas zu sagen, aber Evan brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Was sie jetzt brauchten, waren nicht die ruhigen Worte des Veteranen. »Keine Versprechungen mehr, keine Aufschübe. Wir sind es satt, auf unserer eigenen Welt Angst zu haben, in unseren eigenen Städten und auf unserem eigenen Campus.«
Alle starrten ihn an. Nach zwei Jahren im Untergrund hatte er Mühe, die Aufmerksamkeit zu ertragen. Er atmete tief durch.
»Es wird für die Republik Zeit, sich zurückzuziehen und etwas von der wunderbaren Toleranz anzuwenden, die sie dauernd predigt. Devlin Stone schaut auf uns herab. Das schleudern uns die Politiker ständig ins Gesicht. Ist Ihnen klar, wie nahe das einer Drohung kommt? Aber Stone ist fort. Er ist davongeflogen. Es ist das Auge der Republik, das uns unablässig beobachtet, um sicherzugehen, dass wir uns an ihre Regeln halten. Aber damit ist es vorbei.« Wieder brandete Jubel auf und viele Stimmen bekamen eine Schärfe, die gefährlich werden konnte, falls er sich nicht sehr vorsah.
»Sie haben keine Wahl.« Ruskov sprach zu ihnen allen. Der einzige Zuhörer, den er fand, war Michaelson. »Major, helfen Sie mir, es ihnen begreiflich zu machen. Das ist keine Lösung.«
»Und jetzt einfach aufzugeben?«, fragte Evan. »Ist das zu unserem Besten?« Er schüttelte den Kopf. »Wir wissen, dass unsere Militärlaufbahn zu Ende ist, Legat. Das haben wir am nächsten Tag erkannt und haben es auch akzeptiert. Sie werden uns nie Truppen anvertrauen. Sie werden uns nie eine Stimme geben. Und wissen Sie was? Die meisten von uns sind froh darüber und dasselbe gilt für die Soldaten Ihrer eigenen Einheiten, die sich hier auf dem Gelände aufhalten, um uns zu unterstützen. Und es gibt eine große und wachsende Zeltstadt hier lebender Bürger, die sich zum Dienst melden. Weil unsere Stunde jetzt gekommen ist.« Evan zog sein Bürgerrechtsdokument aus der Tasche. »Mein Bürgerrecht, endlich angeboten, weil die Republik verzweifelt genug ist, mich zu brauchen.« Er hielt es hoch. Einige Kadetten betrachteten es bewundernd, andere neidisch oder erschrocken. Jenna starrte Evan mit traurigen Augen an, als er das Dokument langsam in der Mitte durchriss. Das Geräusch des reißenden Papiers füllte den Raum für mehrere lange, schmerzhafte Sekunden. »Es ist zu spät, Legat. Es war schon zu spät, als ich auf diese Schule kam.«
Er riss es in Viertel. »Es war zu spät, als ich dem Ijori Dé Guäng beitrat.«
In Achtel. »Es war sogar schon zu spät, als ich geboren wurde.«
Er ließ die Fetzen seines Bürgerrechts auf den Tisch fallen. »Das dürfen Sie Lordgouverneur Hidi? überbringen, mit meinen besten Wünschen.«
Ruskov stand auf. Er nickte seinem Lieutenant zu, der zur Tür ging, sie öffnete und seinem Vorgesetzten Platz machte. Der Legat beugte sich zu Evan hinüber und sprach sehr ruhig. »Sie zwingen mich, etwas zu tun, was ich wirklich nicht tun will, Evan Kurst. Sie und all Ihre Kameraden. Möglicherweise war das die einzige Chance für eine diplomatische Lösung, die Sie jemals bekommen. Früher oder später werde ich gezwungen sein, zurückzukommen. Und falls ich diese Schule dann Stein für Stein auseinander nehmen muss, werde ich es tun. Wer gewinnt dann, Kurst?«
Damit ging Ruskov. Michaelson folgte, dann Hahn. Andere verließen den Raum und ein paar von ihnen legten Evan dabei ermutigend die Hand auf die Schulter. Sie ließen ihn dort zurück, mit
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