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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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– «ist die Ausrichtung das Entscheidende.»
    «Was hältst du davon?», fragt Ted hinter ihr.
    «Es sind mehrere Leichen», sagt Ruth. «Wir müssen den Gerichtsmediziner verständigen.»
    «Dann glaubst du also, sie sind neueren Datums?», fragt Ted.
    «Durchaus möglich.»
    Ruth glaubt, Haare und Zähne zu erkennen – ein Hinweis darauf, dass die Knochen nicht allzu alt sind. Andererseits hat sie selbst erst im Jahr zuvor eine vollständig erhaltene Leiche in torfigem Moorboden entdeckt, die, wie sich herausstellte, mehr als zweitausend Jahre alt war. Doch Torf ist alkalihaltig und konserviert, während Sand säurehaltig ist. Wenn man in sandigem Boden gräbt, findet man so gut wie nie menschliche Überreste, weil alle Knochen längst zerfressen sind. Dass diese im Sand vergrabenen Knochen noch so relativ gut erhalten aussehen, legt nahe, dass sie ziemlich zeitgenössisch sind.
    «Dave wollte dem Gerichtsmediziner am Montag Bescheid sagen», sagt Trace betont beiläufig.
    Ruth mustert sie neugierig. Dann stimmt es also, dass Trace mit Dave Clough zusammen ist? Na, jedem das Seine.
    Laut sagt sie: «Das sollten wir aber besser heute machen.»
    «Ist am Montag nicht auch der große Boss wieder da?», meint Ted. «Vielleicht wollen Sie ja auf ihn warten.»
    «Der hat dann sicher noch Jetlag», sagt Trace. «Wahrscheinlich kommt er nicht vor Dienstag ins Büro.»
    «Er ist doch nur auf Lanzarote», sagt Ruth.
    Einen Moment lang schweigen alle.
    Ruth klettert über die Mauer aus Geröll. Der Spalt zwischen den Felsen ist nur einen knappen Meter breit und wird nach hinten zu noch schmaler. Es ist deutlich kühler dort, und es riecht modrig. Ruth fröstelt, nicht nur wegen der Kälte. Wer vergräbt Leichen an einem so unzugänglichen Ort? Jemand, der nichts Gutes im Schilde führt, darauf könnte sie wetten. Sie hat ihre Ausrüstung dabei, will aber noch nicht mit Graben anfangen. Sieh dir einfach alles an, sagt die Stimme in ihrem Kopf. Falls Trace die Flut richtig einschätzt, wird dieses Grab komplett zerstört, sobald sie das Geröll wegräumen. Umso wichtiger ist es, sich gleich genaue Notizen zu machen. Die Toten sind von Norden nach Süden ausgerichtet. Ihre Position ist allem Anschein nach anatomisch korrekt, sie liegen ausgestreckt, Rücken an Rücken. Mit ihrer Kelle kratzt Ruth noch ein wenig mehr Sand weg. Da liegen eindeutig zwei Tote, wahrscheinlich sogar mehr.
    «Wie viele sind es denn?» Ted schaut ihr über die Schulter.
    «Ich bin mir nicht sicher. Mindestens vier.»
    «Vier Tote, die vor nicht allzu langer Zeit hier vergraben wurden», sagt Ted. «Man sollte meinen, das hätte einer gemerkt.»
    «Stimmt», sagt Ruth. Sie hat noch etwas anderes entdeckt, behält das aber einstweilen für sich. Die Leichen sind gefesselt: Die Hände wurden ihnen auf dem Rücken zusammengebunden.

    Unten am Strand gibt es keinen Handyempfang, deshalb gehen Ruth, Ted und Trace den Steilpfad zum Sea’s End House hinauf. Oben angekommen, ist Ruth ganz außer Atem. Sie hat nach der Geburt ihre Figur wieder – unglücklicherweise, denn eigentlich hatte sie auf eine andere gehofft. Vor der Schwangerschaft wog sie neunundsiebzig Kilo, jetzt sind es fast zweiundachtzig. Im Allgemeinen stört sie das nicht allzu sehr. Sie trägt grundsätzlich nur dunkle, weite Kleidung und schaut so wenig wie möglich in den Spiegel. Es stört sie aber ungemein, sich so untrainiert zu fühlen, vor allem, wenn Trace den steilen Pfad gazellengleich hinaufspringt und jetzt bereits eine Nummer in ihr iPhone tippt.
    «Cool!» Ted deutet auf das Telefon.
    «Ganz nützlich für die Arbeit», wiegelt Trace ab.
    Ruth, die nie das Bedürfnis verspürt hat, etwas anderes als ein ganz schlichtes Handy zu besitzen, mustert sie skeptisch. Obwohl man es ihr nicht ansieht, stammt Trace aus einer der reichsten Familien von Norwich. Die wenigsten Archäologen können sich von ihrem Gehalt ein iPhone leisten.
    Doch auch die allerneueste Technik zeigt sich den Anforderungen von Broughton Sea’s End nicht gewachsen.
    «Nichts», verkündet Trace abfällig.
    «Da kommt jemand», sagt Ruth. Ein Mann in einer Wachsjacke hält zielstrebig auf sie zu. Zwei trübsinnige Cockerspaniels folgen ihm auf dem Fuß.
    «In Deckung», brummt Ted.
    Doch die Eingeborenen erweisen sich als friedfertig.
    «Kann ich Ihnen helfen?», fragt der Mann. «Hier kriegt man beim besten Willen kein Netz. Wir sind das vergessene Land.» So, wie er das sagt, klingt es, als wäre er im Grunde

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