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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schätzen.
    Er schloss die Safetür, setzte die Abdeckung darauf und ließ den Wandteppich darüber fallen. Heftig mit sich ringend, was er unternehmen könnte, spazierte er zurück in den Laden und suchte Trost in den vielen Gegenständen, die dort zum Verkauf angeboten wurden.
    Eine Stunde später, als er noch zu keiner Entscheidung über sein weiteres Vorgehen gelangt war, fragte er sich, ob er hinsichtlich der Tüchtigkeit der Polizei vielleicht falsch gelegen hatte. Vielleicht hatten sie durch Glück ein paar richtige erste Schlüsse gezogen, aber dann waren sie mit ihrer Ermittlung ins Stocken geraten, und er würde ungeschoren davonkommen. Doch just in diesem Moment betrat ein Kunde den Laden und begann zu stöbern. Der Ladeninhaber lächelte zur Begrüßung, dann beugte er sich konzentriert über ein Kassenbuch, fuhr dabei jedoch fort, den Kunden zu beobachten, einen hoch gewachsenen, schlanken Mann im schwarzen Mantel, unter dem er einen Anzug von ähnlichem Farbton und ein weißes Hemd trug. Er prüfte sorgfältig die Uhren, Musiktruhen und Spazierstöcke, sein Blick war der eines Mannes, der beabsichtigt, etwas zu kaufen und einen guten Gegenwert für sein Geld zu erhalten.
    Als Dieb hatte Peter Goodcastle gelernt, auf Kleinigkeiten zu achten; als Geschäftsmann wusste er Kunden einzuschätzen. Und nun fiel ihm ein wunderlicher Umstand auf: Der Mann prüfte nur die hölzernen Gegenstände, während das Inventar auch aus viel Porzellan, Elfenbein, Perlmutt, Zinn, Messing und Silber bestand. Nach Goodcastles Erfahrung betrachtete ein Kunde, der, sagen wir, eine Musiktruhe kaufen wollte, alle angebotenen Truhen, um ihren Wert und ihre Qualität abzuschätzen, auch wenn er vorhatte, eine hölzerne zu erwerben.
    Dann bemerkte Goodcastle noch etwas. Der Mann fuhr mit dem Finger unauffällig über eine Fuge in einer Musiktruhe. Sein Interesse galt also nicht dem Holz selbst, sondern dem Wachs darauf, von dem er eine Probe mit dem Fingernagel aufnahm.
    Der »Kunde« war gar keiner, wie der Ladeninhaber entsetzt erkannte; er war einer der Inspektoren vom Yard, von denen ihm sein Informant vorhin erzählt hatte.
    Nun, noch ist nicht alles verloren, überlegte Goodcastle. Das Wachs, das er benutzte, war zwar aufgrund seines Preises – und weil es nur in Handelseinheiten erhältlich war – etwas selten, aber einzigartig war es gewiss auch nicht; viele andere Möbel- und Antiquitätenhändler kauften dasselbe. Daraus ließ sich keinesfalls auf seine Schuld schließen.
    Doch dann fand der Polizeibeamte plötzlich Gefallen an einem roten Polsterstuhl. Er setzte sich darauf und klopfte an die Seiten, als wollte er ein Gefühl für die Bauart bekommen. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Entsetzt beobachtete Goodcastle, dass die rechte Hand des Mannes kurz aus dem Blickfeld verschwand und kaum merklich ein wenig Futter aus dem Polster zupfte.
    Die Polsterung bestand aus getrocknetem Rosshaar, und es würde ohne Frage mit dem in Robert Mayhews Wohnung gefundenen übereinstimmen.
    Der Inspektor erhob sich und schlenderte noch eine Weile in den Gängen auf und ab. Schließlich richtete er den Blick zum Ladentisch. »Sie sind Mr. Goodcastle?«
    »In der Tat«, antwortete der Geschäftsmann, denn es zu leugnen würde später nur verdächtig wirken. Er fragte sich, ob man ihn auf der Stelle verhaften würde. Sein Herz schlug heftig.
    »Sie haben hier einen hübschen Laden.« Der Inspektor bemühte sich, liebenswürdig zu sein, aber Goodcastle entdeckte die Kälte eines Inquisitors in seinen Augen.
    »Danke, Sir. Ich würde mich freuen, Ihnen behilflich sein zu können.« Seine Handflächen begannen zu schwitzen, und ihm wurde flau im Magen.
    »Nein, danke. Ich muss leider wieder gehen.«
    »Dann guten Tag. Kommen Sie wieder.«
    »Das werde ich«, sagte der Mann und trat in die frische Frühlingsluft hinaus.
    Goodcastle zog sich ins Halbdunkel zwischen einigen Schränken zurück und spähte aus dem Fenster.
    Oh, nein!
    Seine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Der Mann hatte begonnen, die Straße zu überqueren, warf einen Blick zum Laden zurück und kniete, da er den Inhaber nicht sah, nieder, um sich vorgeblich die Schuhe zu binden. Doch die Schnürsenkel saßen bereits einwandfrei; der Sinn der Bewegung bestand darin, ein wenig roten Ziegelstaub von den Bauarbeiten aufzunehmen – um ihn mit ähnlichem Staub zu vergleichen, den Goodcastle auf den Sprossen der Leiter und in der Wohnung in Charing Cross

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