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Gezinkt

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Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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der Gaslampe fiel auf die Edelsteine, und eine Salve aus blauen und weißen Strahlen schoss durch den Raum. Der Franzose, mit dem Goodcastle handelseinig geworden war, würde ihm dreitausend Pfund dafür bezahlen, was natürlich bedeutete, dass er ein Vielfaches davon wert war. Und doch sinnierte Peter Goodcastle, dass diese Schöpfung, so wundervoll sie war, auf ihn persönlich keine besondere Anziehungskraft ausübte. Tatsächlich bedeuteten ihm die erbeuteten Gegenstände nach einem erfolgreich ausgeführten Einbruch in ein Gemach, ein Museum oder ein Geschäft wenig, außer dass sie ihm Einkommen sicherten und damit die Mittel, seiner verbrecherischen Berufung weiter zu folgen, obwohl er hinsichtlich seiner Entlohnung alles andere als gierig war. Denn ob er dreitausend Sovereigns für den Ring erhielt oder einen Preis von vielleicht dreißigtausend, die seinem wahren Wert entsprochen hätten, oder lediglich eine Handvoll Kronen – darauf kam es nicht an. Nein, der Reiz für Goodcastle bestand in dem Diebstahl selbst und in der Perfektion seiner Ausführung.
    Man wird sich vielleicht fragen, wie er eigentlich zu dieser merkwürdigen Berufswahl gekommen war. Goodcastle war privilegiert aufgewachsen und hatte eine vorzügliche Erziehung genossen. Auch hatte er sich zu keinem Zeitpunkt seines Lebens mit besonders rauen Gesellen eingelassen. Seine Eltern, beide längst verschieden, hatten ihn liebevoll behandelt, und sein Bruder war ausgerechnet Gemeindepfarrer in Yorkshire. Er nahm an, dass ein großer Teil der Motivation, die ihn zum Stehlen trieb, auf seine schrecklichen Erfahrungen während des Zweiten Afghanistankriegs zurückzuführen war. Goodcastle war Kanonier bei der berühmten Royal Horse Artillery gewesen. Zusammen mit anderen Abteilungen waren sie dazu abkommandiert worden, eine feindliche Streitmacht der Ghazi aufzuhalten, die fest entschlossen war, Kandahar anzugreifen. Am sengend heißen, staubigen 27. Juli 1880 traf die Truppe aus zweitausendfünfhundert Briten und Indern bei Maiwand auf den Feind. Was sie bis zum Beginn des Gefechts jedoch nicht wussten, war, dass die Afghanen ihnen zahlenmäßig zehn zu eins überlegen waren. Die Schlacht verlief vom ersten Augenblick an schlecht, denn zusätzlich zu der überwältigenden Menge fanatischer Kämpfer besaß der Feind nicht nur Gewehre, sondern auch Krupp-Geschütze. Die Ghazi zielten mit tödlicher Genauigkeit, und ihre Geschosse und Musketenkugeln wüteten fürchterlich in den Reihen der Briten.
    Goodcastles Mannschaft, die Geschütz Nummer drei besetzte, erlitt schreckliche Verluste, doch gelang es ihnen, an jenem Tag mehr als einhundert Kugeln abzufeuern; der Lauf der Waffe war heiß genug, um Fleisch zu braten – wie die schweren Verbrennungen an Armen und Händen der Männer bewiesen. Schließlich jedoch gewann die überwältigende Mannschaftsstärke des Feindes die Oberhand. Mit einem Zangenmanöver rückten sie heran. Die Afghanen erbeuteten die britische Kanone, die ihre Besatzung nicht mehr rechtzeitig zerstören konnte, und die Fahne der Einheit – es war das erste Mal in der Geschichte der britischen Armee, dass sich ein solches Grauen ereignete.
    Während Goodcastle und die anderen in wilder Flucht davonrannten, drehten die Ghazi die britischen Kanonen herum und verschlimmerten das Gemetzel; die Afghanen verwendeten dazu die Fahnenstangen der Regimentsflaggen als Ladestöcke für die Geschütze!
    Eine schreckliche Erfahrung, ja – zwanzig Prozent der Horse Artillery gingen verloren, wie auch sechzig Prozent des 66th Foot Regiment – aber in gewisser Weise erwartete die schlimmste Heimsuchung die überlebenden Soldaten erst nach ihrer Rückkehr nach England. Goodcastle und seine Kameraden sahen sich als Parias behandelt, als Feiglinge gebrandmarkt. Die Verachtung war ihnen ein Rätsel und wirkte verheerend auf ihre Seelen. Doch Goodcastle erfuhr bald den Grund dafür. Premierminister Disraeli war, unterstützt von einer Anzahl Lords und der reichen Oberschicht, die hauptsächliche Triebfeder für die militärische Intervention in Afghanistan gewesen, die keinem anderen Zweck diente, als gegenüber Russland mit dem Säbel zu rasseln und dann Einfälle in das Gebiet zu machen. Die Niederlage bei Maiwand ließ viele Leute nach der Klugheit eines solchen Engagements fragen und brachte die Regierung postwendend in Verlegenheit. Sündenböcke wurden gebraucht, und wer eignete sich besser dazu als die Frontsoldaten, die bei einer der

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