Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
hinterlassen hatte. Der Polizist verstaute den Ziegelstaub in einem kleinen Kuvert und setzte dann seinen Weg fort, mit den beschwingten Schritten eines Mannes, der soeben ein Bündel Banknoten auf der Straße gefunden hat.
    Panik machte sich in Goodcastle breit. Er begriff, dass seine Verhaftung unmittelbar bevorstand. Es würde also ein Rennen gegen die Uhr sein, wollte er sich dem Zugriff des Gesetzes noch entziehen. Jede Sekunde zählte.
    Er ging in den hinteren Teil des Ladens und öffnete die Tür zum rückwärtigen Raum. »Markham«, rief er dem rundlichen, bärtigen Handwerker zu, der dort gerade eine Kommode im chinesischen Stil lackierte. »Hüten Sie den Laden für ein, zwei Stunden. Ich bin in einer dringenden Angelegenheit unterwegs.«
     
    Bill Sloat saß über seinen vollgestellten, bierfleckigen Tisch im Green Man Pub gebeugt, umgeben von einem halben Dutzend seiner Kumpane, alles schmutzige, unterbelichtete Falstaffs, die einzig und allein deshalb hier waren, weil sie schnell und skrupellos ausführten, was Sloat ihnen befahl.
    Der mit einer ungewaschenen alten Leinenjacke bekleidete Gangster blickte auf, als sich Peter Goodcastle näherte, spießte ein Stück Apfel mit seinem scharfen Messer auf und aß die mehlige Frucht langsam. Er wusste nicht viel über Goodcastle, außer dass er einer der wenigen Geschäftsleute in der Great Portland Street war, der seine wöchentlichen zehn Pfund – die er »Handelsgebühr« nannte – ausspuckte, ohne dass man ihn mit einem deftigen Arschtritt oder einem Schnitt mit dem Rasiermesser daran erinnern musste.
    Der Ladenbesitzer blieb vor dem Tisch stehen und nickte dem fetten Mann zu. »Was führt Sie hierher, M’lord?«, murmelte dieser.
    Der Titel war natürlich ironisch gemeint. In Goodcastles schlaffen Venen floss kein Tropfen Adelsblut. Doch in einer Stadt, in der Klasse die wichtigste Messlatte war, an der man einen Mann maß, noch mehr als Geld, trennten Goodcastle und Sloat Welten. Der Gangster war unter harten Bedingungen im East End aufgewachsen und hatte nie auch nur eine Spur der Förderung erhalten, wie man sie Goodcastle angedeihen ließ, dessen Eltern aus einer angenehmen Gegend in Surrey stammten. Was Grund genug für Sloat war, ihn nicht zu mögen, trotz der Tatsache, dass er seine zehn Pfund pünktlich ausspuckte.
    »Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Na, so was. Red nur, mein Freund, ich bin ganz Ohr.«
    »Allein.«
    Sloat spießte noch ein Stück Apfel auf und kaute ihn, dann murmelte er: »Lasst uns allein, Jungs«, worauf sich die Schläger, die am Tisch saßen, kichernd oder murrend mit ihren Biergläsern verzogen.
    Er betrachtete Goodcastle genau. Der Mann mochte sich ja alle Mühe geben, sorglos zu erscheinen, aber er hatte eindeutig etwas Verzweifeltes an sich. Ah, das war schön! Verzweiflung und ihre Schwester Angst motivierten einen Mann weit eher dazu, zu tun, was man wollte, als Gier. Mit einem stumpfen Finger, der in einem von dem Ruß schwarzen Nagel endete, der wie Schnee auf diesen Teil der Stadt fiel, deutete Sloat auf Goodcastle. »Wenn du hier bist, um mir zu sagen, dass du meine Knete diese Woche nicht hast, kannst du’s dir gleich abschminken.«
    »Nein, nein, nein, Sie bekommen Ihr Geld. Das ist es nicht.« Er flüsterte. »Hören Sie mich an, Sloat. Ich bin in Schwierigkeiten. Ich muss rasch das Land verlassen, ohne dass es jemand erfährt. Ich bezahle Ihnen ein hübsches Sümmchen, wenn Sie das regeln können.«
    »Du bezahlst für alles , was ich für dich tue, ein hübsches Sümmchen, mein Freund, verlass dich drauf«, erwiderte Sloat lachend. »Was hast’n gemacht, dass du so schnell Urlaub brauchst?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »He, he, zu schüchtern, um deinem Freund Bill die Geschichte zu erzählen? Hast irgend’nem armen Kerl Hörner aufgesetzt? Oder einen Sack Geld beim Spielen verloren?« Dann kniff Sloat die Augen zusammen und lachte rau. »Aber nein, M’lord. So kahl und dürr, wie du bist, wird es kein verheiratetes Vögelchen mit dir treiben. Und du hast nich’ den Mumm, mehr als’nen Heller aufs Spiel zu setzen. Also, wer ist hinter dir her, Kumpel?«
    »Ich kann es nicht sagen«, flüsterte Goodcastle.
    Sloat trank von seinem Bitter. »Egal. Erzähl weiter. Es is’ Essenszeit, und ich hab Hunger.«
    Goodcastle blickte sich um und senkte die Stimme noch weiter. »Ich muss nach Frankreich kommen. Niemand darf davon erfahren. Und ich muss noch heute Abend aufbrechen.«
    »Heute Abend?« Der

Weitere Kostenlose Bücher