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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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etwas hinzufügen, verstummte aber dann, und Boyle wagte es nicht, seine Gedankenkette zu unterbrechen. Als der Gefangene wieder sprach, klang er fröhlicher. »Unternehmen Sie manchmal was mit Ihrer Familie, Captain? Das war, glaub ich, das Schlimmste von allem. Wir haben verdammt noch mal nie irgendwas zusammen gemacht. Nicht einmal in Urlaub gefahren, nicht einmal zu einem Footballspiel oder so gegangen.«
    »Wenn ich jetzt nicht hier mit Ihnen reden würde, wären wir alle zusammen bei einem Picknick.«
    »Ja?«
    Boyle fürchtete einen Moment lang, Phelan könnte eifersüchtig auf Boyles Familienleben sein. Aber die Augen des Gefangenen leuchteten. »Das ist schön, Captain. So habe ich mir unsere Familie immer vorgestellt – meine Mama, Vater, wenn er nicht trank, und die Zwillinge. Wie wir einen Ausflug machen, so wie Sie es gerade erzählt haben. Ein Picknick irgendwo in einem Stadtpark, vor dem Orchesterpavillon, Sie wissen schon.«
    Und ich habe immer die Musik gehört, wenn ich vom Gas ging. Und ich folgte ihr zu diesem Park in der Stadtmitte.
    »Hatten Sie das vor mit Ihrer Familie?«
    »Na ja, wir sind mehr von der ungeselligen Sorte«, sagte Boyle lachend. »Wir meiden Menschenmengen. Meine Eltern haben ein kleines Haus nördlich von hier.«
    »Ein Einfamilienhaus?«, fragte Phelan bedächtig und stellte es sich vielleicht vor.
    »Am Taconic Lake. Da fahren wir normalerweise hin.«
    Der Gefangene verstummte für eine Weile. »Wissen Sie, Captain, ich habe so eine verrückte Vorstellung«, sagte er schließlich, und seine Augen zählten die Betonblöcke. »Wir haben alle dieses ganze Wissen in unserem Kopf. Alles, was die Menschen je wussten. Oder in der Zukunft wissen werden. Zum Beispiel, wie man ein Mastodon tötet, ein atomgetriebenes Raumschiff baut oder in einer anderen Sprache spricht. Es ist alles da, im Kopf von allen Menschen. Sie müssen es nur finden.«
    Was will er damit sagen?, fragte sich Boyle. Dass ich weiß, warum er es getan hat?
    »Und man findet dieses ganze Zeug, indem man sehr still sitzt, und dann kommt der Gedanke. Peng, und er ist einfach da. Passiert Ihnen das manchmal?«
    Boyle wusste nicht, was er sagen sollte. Aber Phelan schien gar keine Antwort zu erwarten.
    Draußen im Korridor näherten sich Schritte und entfernten sich wieder.
    Jedenfalls, kurz und gut, ich hab sie getötet. Ich nahm dieses hübsche blaue Halstuch ...
    Phelan seufzte. »Es ist nicht so, als hätte ich euch allen etwas verschweigen wollen. Ich kann euch nur wirklich die Antworten nicht geben, die ihr hören wollt.«
    Boyle schloss das Notizbuch. »Ist schon in Ordnung, James. Sie haben mir eine Menge erzählt. Ich weiß es zu schätzen.«
    Ich habe dieses hübsche blaue Halstuch genommen und sie damit erwürgt. Und mehr habe ich nicht zu sagen .
     
    »Ich hab’s«, verkündete Boyle am Münztelefon. Er stand in dem schlecht beleuchteten Flur vor der Cafeteria des Gerichtsgebäudes, wo er mit einigen der anderen Beamten aus dem Phelan-Team gerade einen Lunch zur Feier des Tages eingenommen hatte.
    »Jawohl!«, drang die begeisterte Stimme des Bezirksstaatsanwalts aus dem Telefon. Die meisten leitenden Strafverfolger hatten gewusst, dass Boyle die letzte Vernehmung von James Phelan vornehmen würde, und gespannt auf die Beantwortung der Frage gewartet, warum er Anna Devereaux getötet hatte. Es war zu der Frage schlechthin in der Dienststelle der Bezirksstaatsanwaltschaft geworden. Boyle hatte sogar das Gerücht gehört, einige Leute würden eine makabre Wette organisieren und hohe Summen auf die richtige Antwort setzen.
    »Es ist kompliziert«, fuhr Boyle fort. »Ich glaube, es war so, dass wir ihn einfach nicht ausreichend psychologisch getestet haben. Es hat mit dem Tod seiner Mutter zu tun.«
    »Phelans Mutter?«
    »Ja. Er hat einen Tick, was Familie angeht. Er ist wütend, weil ihn seine Mutter verließ, indem sie starb, als er zehn war, und er musste seine Schwestern großziehen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich weiß, es klingt nach Psychogeschwätz. Aber es passt alles. Rufen Sie Dr. Hirschhorn an. Lassen Sie ihn...«
    »Boyle, Phelans Eltern leben noch. Beide.«
    Schweigen.
    »Boyle? Sind Sie noch da?«
    Nach einem Moment: »Fahren Sie fort.«
    »Und er war ein Einzelkind. Er hatte keine Schwestern.«
    Boyle drückte geistesabwesend den Daumen auf die Chromtastatur des Fernsprechers und hinterließ ein Muster breiter Fingerabdrücke auf dem kalten Metall.
    »Und seine Eltern... Sie haben sich schwer

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