Gezinkt
verschuldet, um Ärzte und Anwälte zu bezahlen, die ihm helfen sollten. Das sind Heilige... Captain? Sind Sie noch da?«
Warum log Phelan? War das alles nur ein großer Witz? Er ging die Ereignisse im Geist noch einmal durch. Ich ersuche ein Dutzend Mal um ein Treffen. Er lehnt bis unmittelbar vor der Urteilsverkündung ab. Dann stimmt er zu. Aber wieso?
Warum? ...
Boyle schoss plötzlich in die Höhe, seine kräftige Schulter rammte die Wand der Telefonbox.
Verzweifelt legte er die linke Hand an die Wange und schloss die Augen, als ihm klar wurde, dass er Phelan gerade die Namen sämtlicher Mitglieder seiner Familie verraten hatte. Wo Judith arbeitete, wo die Kinder zur Schule gingen.
Großer Gott, er hat ihm gesagt, wo sie im Augenblick waren! Allein am Taconic Lake.
Der Captain starrte sein verzerrtes Spiegelbild im Chromgehäuse des Telefons an und begriff die Ungeheuerlichkeit dessen, was er getan hatte. Phelan musste das Ganze seit Monaten geplant haben. Deshalb hatte er nichts über das Motiv herausgerückt: Um Boyle mit hineinzuziehen, um den Captain selbst begierig auf ein Gespräch zu machen, damit er ihm Informationen entlocken und die Botschaft übermitteln konnte, dass seine Familie in Gefahr war.
Halt, beruhige dich. Er ist eingesperrt. Er kann niemandem etwas tun. Er kommt nicht raus …
O nein...
Boyles Eingeweide wurden zu Eis.
Phelans Freund, der Motorradrocker! Angenommen, er wohnte nicht weit von hier, dann konnte er in dreißig Minuten am Taconic Lake sein.
»Was zum Teufel wird da gespielt, Boyle?«
Die Antwort auf die Frage nach Phelans Motiv für den Mord an Anna Devereaux war bedeutungslos. Die Frage selbst war die letzte Waffe des Mörders – und er setzte sie gegen den Polizisten ein, der ihn wie besessen gejagt hatte.
Warum, warum, warum ...
Boyle ließ den Hörer fallen und rannte den Flur entlang zum Gefangenentrakt. »Wo ist Phelan?«, schrie er.
Der Wärter sah den aufgelösten Captain verwundert an. »Da, in der Arrestzelle, Captain. Sie können ihn sehen.«
Boyle schaute durch das Doppelglas auf den Gefangenen, der ruhig auf einer Bank saß.
»Was hat er getan, seit ich weggegangen bin?«
»Gelesen, sonst nichts. Ach ja, und er hat ein paar Mal telefoniert.«
Boyle warf sich über den Schreibtisch und griff nach dem Telefon des Wärters.
»He!«
Er hämmerte die Nummer des Hauses am See in die Tasten. Es begann zu läuten. Dreimal, viermal …
Und genau in diesem Augenblick sah Phelan Boyle an und lächelte. Er formte ein Wort mit den Lippen. Natürlich konnte es der Captain durch das Panzerglas nicht hören, aber er wusste mit absoluter Sicherheit, was der Mann gerade gesagt hatte: »Schachmatt.«
Boyle ließ den Kopf auf den Hörer sinken und flüsterte wie ein Gebet: »Geh ran, bitte, geh ran.« Das Telefon läutete und läutete.
Angst
»Wohin fahren wir?«, fragte die Frau, als sich der schwarze Audi in hohem Tempo von der Piazza della Stazione in Florenz entfernte. Sie war gerade mit dem Zug aus Mailand eingetroffen.
Antonio schaltete geschmeidig in einen höheren Gang. »Das ist eine Überraschung«, antwortete er.
Marissa legte den Sicherheitsgurt an, während der Wagen in die engen, verwinkelten Straßen eintauchte. Bald hatte sie jede Orientierung verloren. Sie hatte ihre gesamten vierunddreißig Lebensjahre in Mailand gewohnt und kannte nur das Zentrum von Florenz. Antonio andererseits war gebürtiger Florentiner und raste selbstgewiss durch ein unergründliches Gewirr von Straßen und Gassen.
Eine Überraschung? Nun, er hatte den Ort für ihr gemeinsames langes Wochenende aussuchen wollen, und sie war einverstanden gewesen. Also, sagte sie sich, lehn dich zurück, und genieße die Fahrt... Ihre Arbeit war im letzten Monat besonders belastend gewesen; es tat gut, zur Abwechslung jemand anderen die Entscheidungen treffen zu lassen.
Schlank und blond, mit den Gesichtszügen des Nordens, war Marissa Carrefiglio mit Anfang zwanzig als Laufstegmodel tätig gewesen, hatte dann aber begonnen, Mode zu entwerfen, was ihr große Freude machte. Vor drei Jahren jedoch war ihr Bruder aus dem Familienunternehmen ausgestiegen, und sie hatte sich gezwungen gesehen, das Management des Kunst- und Antiquitätenhandels zu übernehmen. Sie war nicht glücklich darüber, aber ihr strenger Vater war kein Mann, der ein Nein akzeptierte.
Eine scharfe Kurve folgte der anderen. Marissa lachte nervös wegen Antonios aggressiver Fahrweise und schaute nicht auf die
Weitere Kostenlose Bücher