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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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als ich, dachte ich, sie hat noch mehr Kinder. Eigentlich erstaunlich, dass sie ausgerechnet mich fragt. Die weiß doch garantiert viel mehr als ich! Ich hatte zwar ein Studium absolviert, aber in der Praxis denkbar wenig Erfahrung.
    Nur ein Jahr lang war ich die Klassenlehrerin dieser Klasse. Ich glaube, in dieser Zeit habe ich von uns allen am meisten gelernt. Zwar tanzten mir die Kinder immer noch auf der Nase herum, aber ich ahnte jetzt wenigstens ansatzweise, warum.

Ein Ritterschlag
    Natürlich hat jeder Schüler einen Fernseher oder zwei oder drei. Flachbildschirme stehen zu Hause in jedem Zimmer, bei Ali sogar in der Küche, aber nach einem Buch kann man lange suchen.

    Ich frage Jenny im Deutschunterricht: «Liest du schon mal ein Buch, Jenny?»
    Sie mustert mich eindringlich und sagt angewidert: «Ein Buhuch? Seh ich so aus?»
    Ein Buhuch! Ein Buuhuch!
    Schade, dass man beim Lesen nicht hören kann, wie verächtlich man dieses Wort aussprechen kann.

    Über Bücher können wir uns also nicht unterhalten, da gibt das Fernsehprogramm mehr her, allerdings habe ich leider keinen türkischen Kanal. Bleibt nur das deutsche Programm. DSDS und die Flop-Models haben erst einmal fertig, im Moment gibt es fernsehmäßig nichts mehr zu bereden.
    Dachte ich.
    Es stellt sich aber raus, dass Emre und Ömür begeisterte Galileo -Fans sind, das ist so eine Art Sendung mit der Maus für leicht unterbelichtete Erwachsene. Für meine beiden Jungs ist es richtig harter Tobak, was da an Wissen vor ihnen ausgebreitet wird – zu viele Informationen in zu kurzer Zeit. Ständig erzählen sie mir im Bio-Unterricht so komisches Zeugs aus der Sendung, dass ich ins Grübeln komme.
    Was blieb mir übrig – ich habe auch angefangen, Galileo zu gucken. Wenn ich mich dann auf meinem Sofa von meinem Lieblingsmoderator Aiman Abdallah («Liebling» wegen seiner arabischen Wurzeln, das ist mir so vertraut) durch die Sendung schaukeln lasse, denke ich an Emre und Ömür. Ach, bestimmt sitzen die jetzt auch vor ihren Flachbildschirmen, trinken Tee mit viel Zucker aus kleinen Gläsern mit Goldrand, knabbern Sonnenblumenkerne, schmeißen die Schalen auf den Boden (wie in der Schule) und sehen genau dasselbe wie ich. Das verbindet.
    «Ich muss immer an euch denken, Jungs, wenn ich Galileo schaue», vertraue ich ihnen am nächsten Tag an.
    «Ja.» Ömür lächelt versonnen. «Wir denken auch immer an Sie, Frl. Krise.»
    Fast werden wir rot, so vertraulich ist das Gespräch.
    Dann kommt die Doppelstunde Bio, die letzte vor den Ferien, in der wir noch arbeiten. Es geht gerade um gesunde Ernährung.
    «Voll langweilig», sagt Fuat. «Ich esse sowieso alles außer Schweinefleisch. Hauptsache, es sind Kohl-Hüdranten drin.» Fuat guckt bestimmt nie Galileo .
    Nur Emre und Ömür sind echt begeistert von diesem Thema. Emre ist ein großer Sportler, er ist schlank und durchtrainiert und achtet sehr auf seine Ernährung, und Ömür, klein und dick, wie er ist, liebt einfach alles, was mit Essen zu tun hat. Die beiden schwelgen in Nährwerttabellen, rechnen ihren Grundumsatz und ihren Body-Mass-Index aus, belesen sich über die wichtigen Vitamine von A bis Z und stellen auf dem Papier gesunde kleine Mahlzeiten zusammen. Am Ende der Doppelstunde sagt Emre richtig glücklich: «Frl. Krise, soll ich Ihnen mal ehrlich was sagen? Bio ist voll mein Lieblingsfach von der ganzen Schule.»
    «Ja», bekräftigt Ömür das Gesagte, und seine Ohren leuchten dunkelrot. «Find ich auch, da komme ich mir immer vor wie bei Galileo .»
    Ich fühle mich geadelt.

Gottschalk kommt
    Der Chef des Casting-Teams setzte sich auf die abgewetzte Couch im Raucherlehrerzimmer, gab mir Feuer und fragte: «Haben Sie auch eine Klasse? Könnten wir da vielleicht mal reinkommen? Die Klassen, die wir bis jetzt gesehen haben, gaben nicht viel her.»
    Himmel! Das hat man nun davon, dass man raucht, dachte ich und nickte. Casting in meiner Klasse? Warum eigentlich nicht. Meine Klasse wäre bestimmt begeistert, wenn sie ins Fernsehen käme.
    Dabei hatte nicht etwa ich, sondern ein Kollege auf den Casting-Aufruf in der örtlichen Presse reagiert; es ging um die Sendung Gottschalk kommt , in der auch immer eine komplette Schulklasse auftrat.
    Und siehe da, meine lahme siebte Klasse verwandelte sich vor Kameras und Mikrofonen in eine Ansammlung von kleinen Rampensäuen, und schon hatten wir den Job in der Tasche.
    «Ihr wisst bestimmt, dass ihr in unserer Sendung 3000 Mark gewinnen könnt! Ihr

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