Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
Vom Netzwerk:
wegen so eines blöden Theaterstücks zur Premiere zu erscheinen. Das erzählte mir der empörte Emre: «Frl. Krise, der fehlt wieder, werden Sie sehen!»
    Es kommt der Abend. Die Aula füllt sich, wir ziehen die schweren Vorhänge zu, schalten die ersten Scheinwerfer an, die Temperatur im Raum steigt auf gefühlte 50 Grad Celsius. Die Nerven meiner Darsteller liegen blank, denn Tarik fehlt tatsächlich. Voller Zuversicht und Vorfreude (im Bewusstsein, dass der Schmerz bald nachlässt) strahle ich deshalb hinter der Bühne eine geradezu vorbildliche professionelle Gelassenheit aus:
    «Nein, Merve, du übergibst dich jetzt bitte nicht hier!»
    «Lass mal, der kommt schon noch, der Tarik!»
    «Hassan, nicht hyperventilieren, schreib dir deine Sätze in die Hand!»
    «Ja, Jenny, du siehst ganz bezaubernd aus, Nein, deine Pickel sieht man nicht mehr aus der Entfernung.»
    «Doch, Emre, du spielst! Ja, auch wenn alle deine Kumpel da sind.»
    «Aber das Kilo Schminke auf deinem Gesicht ist sehr hübsch, Mariam – jedenfalls im Scheinwerferlicht.»
    Als Tarik dann aber fünf Minuten vor Beginn der Vorstellung immer noch nicht da ist, werde ich geradezu unprofessionell hektisch. Sein Handy hat er abgestellt. Keine Chance.
    Meine Darsteller drohen in jenen altbekannten hysterischen Zustand abzugleiten. Da erspähe ich Vanessa im Publikum, eine von den beiden Rausgeschmissenen. In null Komma nichts steckt sie im Kostüm, ich bläue ihr Tariks fünf Sätze ein – und los geht die wilde Post. Der Vorhang öffnet sich …
    Während der Aufführung sitze ich unerreichbar weit weg von der Bühne bei der Technik und habe das ungemütliche Gefühl, ich wäre Jogi Löw beim WM-Endspiel und es stünde schon 1:0 für Brasilien vor dem Anpfiff. Aber es geht … es geht gut … es geht sehr gut … es wird immer besser, meine Lieben spielen wie die jungen Götter. Es gibt keine Texthänger, keine Versprecher, und alle gehen vorschriftsmäßig an den richtigen Stellen auf und ab. Wenn Vanessa nicht zweimal einen völlig überflüssigen Lachkrampf auf offener Bühne bekommen hätte, wäre es direkt perfekt gewesen.
    Am Ende fallen wir uns in die Arme, lachen und weinen und beglückwünschen uns. Ich lobe meine Truppe über den grünen Klee, verspreche allen ein dickes Eis und verbeiße mir nur unter Aufbietung aller Kräfte einen fetten Fluch in Richtung Tarik. Emre sieht meine Not und springt hilfreich ein: «Vallah, Frl. Krise! Tarik ist voll König von Opfers, ich schwör!»
    Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können!

High Noon
    Meine Jungs wollen entweder Kfz-Mechaniker oder Türsteher werden. Das mit dem Türsteher kann ich gut verstehen, ich finde das auch ganz toll. Während ich das denke, schlendere ich in der großen Pause gelangweilt in der Nähe des Hoftores auf und nieder und schiele immer wieder auf die Uhr, wann denn nun endlich die Pause rum ist. Ich weiß gar nicht, auf wen ich hier aufpassen soll. Der Schulhof ist wie leergefegt – es ist zu heiß. Die meisten Schüler halten sich drinnen im Freizeitbereich auf, nur wenige sitzen auf den Bänken im tiefen Schatten der großen Bäume.
    Da sehe ich zwei Typen durchs Hoftor kommen. Der eine klein, aber aufgepumpt, der andere groß und athletisch, beide schätzungsweise Anfang zwanzig. Unsere Klientel, nur älter: gegelte Haare, solariumsrotbraun, penisbetonter Gang und Rasierklingen unter den Achseln.
    Sie halten genau auf mich zu.
    Ich bleibe ganz ruhig und fühle mich sehr stark und wichtig, schließlich stehe ich auf dem Boden der freiheitlich demokrati… ach Quatsch, auf dem Boden eines öffentlichen Schulhofs, also eines Privatgeländes, und ich bin Lehrerin, aufsichtführende Lehrerin, vereidigte Staatsdienerin mit Kontroll- und Schutzfunktion sozusagen, fast so etwas wie eine Polizistin, mindestens aber eine beamtete öffentliche Türsteherin. Das wissen die Typen natürlich nicht, sie sehen nur eine ältliche, unsportliche Lehrerin, die kurzsichtig durch ihre Brille späht.
    Sie biegen ein wenig nach links ab und wollen an mir vorbei auf den Schulhof.
    «Moment mal, bitte», sage ich höflich. «Kann ich Ihnen behilflich sein?»
    Sie stoppen und mustern mich leicht abfällig.
    Der Kleinere antwortet: «Ich will Schulleitung!»
    «Hier bitte rein.» Ich zeige auf den Eingang des Schulhauses. «Erster Stock links.»
    Der Kleine geht brav in Richtung Eingang, der Große geht ungerührt weiter geradeaus an mir vorbei.
    «Entweder Sie begeben sich

Weitere Kostenlose Bücher