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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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zurückzukehren? Ganz im Gegenteil, die Polizei ermunterte sie anscheinend sogar dazu. Hatte denn niemand an eine posttraumatische Belastungsstörung gedacht?
    Es stimmte: Kein Schulpsychologe wurde im Nachgang eingeschaltet, es gab keinen Termin mit den Eltern, um ihnen Ratschläge zu geben, wie sie ihren Kindern bei der Verarbeitung des grausigen Erlebnisses helfen könnten. Es fand auch kein Gespräch mit der Klasse statt – nichts!
    «Ja, wart ihr denn völlig plemplem?» Herr Böck schüttelte den Kopf. Was für ein gefährliches Leben haben diese Kinder gehabt! Ein Wunder, dass so viele überlebt haben, ein Wunder, dass nicht mehr in der Psychiatrie gelandet sind, ein Wunder, dass überhaupt noch welche den Schulabschluss geschafft haben.
    Ich sah meinem jungen Kollegen an, dass er das dachte. Er war sichtlich empört.
    «Und wie ist es heute?», fragte ich zurück. «Heute hat ein zwölfjähriges Kind bei aller Überwachung durchs Handy und trotz Fahrradhelm und psychologischer Rundumbetreuung schon Tausende von Toten im Fernsehen gesehen! Heute darf es zwar nicht mehr unbeaufsichtigt im Wald, aber im Internet herumstrolchen, wo es zu den Niederungen der Pornographie und dem Gestrüpp der Gewalt leichten Zugang findet! Ist das jetzt besser?»
    Herr Böck knabberte an seinen Fingernägeln.

Puller-Alarm
    Die nun wirklich allerletzte Bio-Stunde vor den großen Ferien. Alle Schüler haben schlechte Laune. Sie meckern und motzen. Sie nehmen mir übel, dass ich nicht mit ihnen ins Schwimmbad gegangen bin wie die Parallelklasse. «Wir machen ja nie was!» Jennys Lieblingsspruch.
    Genau! Frl. Krise latscht doch nicht bei 36 Grad Celsius zwei Kilometer durch die Stadt ins Schwimmbad, um sich dort das Genöle anzuhören, dass die anderen schön kühl in der Schule bleiben dürfen und wegen Hitzefrei früher nach Hause können …
    Also Bio. An einen regulären Unterricht ist unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. Ich bin großzügig und stelle mich für «durcheinandrige Fragen», wie Ömür es nennt, zur Verfügung. (Es geht dabei meistens um Gleitcremes, die Größe von Eselspimmeln und ähnlich lebenswichtige Themen.)
    Ömür hat gleich ein medizinisches Problem: Er verspürt Blutgeschmack im Mund bei sportlicher Betätigung! (Seit wann macht Ömür Sport?, frage ich mich.) Vielleicht platzen so kleine Äderchen im Mund? Ich habe keine Ahnung.
    Jetzt Fuat: «Frl. Krise, haben Sie nachgeguckt – Penisfisch?»
    Bitte nicht wieder das!
    Angeblich soll dieser winzige, parasitär lebende Fisch in offenen Gewässern Südamerikas vom Urin angezogen in die Harnröhre des Mannes schwimmen und großes Unheil in den Weichteilen anrichten. Fuats Lieblingsthema.
    Nein, ich habe mich nicht schlau gemacht, es war mir nicht so wichtig, denn keiner meiner Schüler wird in absehbarer Zeit im Amazonas schwimmen – und wenn, dann müssen sie ja bitte schön nicht ins Wasser pinkeln. Soll Fuat doch selbst nachforschen, wenn ihn das so brennend interessiert.
    Außerdem glaube ich nicht so recht an die Existenz dieses Tieres. Emre und Ömür empörten sich deswegen schon letzte Woche. Es gibt dieses gefährliche Untier, behaupteten sie. Sie hätten es doch bei Galileo gesehen! Dagegen kam ich natürlich nicht an.
    Jetzt hilft nur noch eine paradoxe Intervention, und ich täusche Fachwissen vor: «Ja, ich habe ein bisschen geforscht, Fuat. Man hat diesen Fisch jetzt bei uns eingebürgert. Das hab ich in einer biologischen Fachzeitung gelesen.»
    «Wie jetzt?!» Meine Jungs sind starr vor Schreck.
    «Ja, man hat Versuche mit diesem Fisch gemacht, und es hat sich gezeigt, dass er in unseren Gewässern nicht überleben kann», doziere ich. «Aber es hat sich auch herausgestellt, dass er sich in gechlortem Wasser ausgesprochen wohl fühlt und sich dort sogar fortpflanzt. Wo findet man denn in unseren Breiten gechlortes Wasser?»
    «Im Schwimmbad etwa?», fragt Erkan düster.
    «Richtig, sehr gut, Erkan. Man hat die Fische in das Wasser des Marco-Polo-Bads und der Bergtherme eingebracht, und sie sollen sich da schon sehr schön vermehrt haben.»
    Die Jungen starren mich entgeistert an, sie wollen nicht glauben, was sie da gehört haben.
    «Ihr müsst ja im Schwimmbad nicht ins Wasser pinkeln», sage ich tröstlich, «dann passiert auch nichts.»
    «Neeee!» Emre schüttelt den Kopf. «Sie verarschen uns, oder? Frl. Krise?»
    «Niemals», beteuere ich. «Das würde ich mir nie erlauben.»
    Später stoßen wir beim Rausgehen aus

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