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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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dem naturwissenschaftlichen Schultrakt auf einen Jungen der Parallelklasse, der missmutig auf jemanden wartet.
    «Wo wart ihr eigentlich baden?», frage ich ein bisschen heimtückisch.
    «Wir waren Marco-Polo», antwortet der Schüler arglos.
    Meine Jungen schreien laut auf.

Fiese Ferien
    Meine Schüler tun mir echt leid. Jetzt haben sie bald Ferien und können sich nicht mal richtig darauf freuen.
    Drei sind schon weg: in die Türkei beziehungsweise in den Libanon.
    Zwei sind unterwegs – in Konvois zu drei bis fünf Autos (vollbesetzte Pkws mit mehreren Kindern), eine Strafe; danke schön. Immerhin kommen sie mal raus aus der Stadt; sie fahren in «unser Dorf», wo es zwar «voll schön», aber «nichts los» ist – Verwandte besuchen.
    Ich frage mich ja ehrlich, wie meine Lieben diese Zeit überstehen werden, da sie große Hitze nicht ertragen, vor jedem Winz-Insekt einen hysterischen Anfall kriegen und es das Abartigste für sie ist, sich in einer Gegend aufzuhalten, wo H&M, Burger King und Lidl weiter als fünf Minuten entfernt sind. Na, jedenfalls können sie dann ihre schlechte Laune nicht mehr an mir auslassen – wenigstens das! Ich bin mal endlich an was nicht schuld. Und ihre Eltern, die immer beteuern: «Ist ganz lieb zu Hause, der Ali!», oder: «Merve macht überhaupt keine Probleme!», haben die Gelegenheit, viele schöne Stunden mit ihren gutgelaunten pubertierenden Kindern zu verbringen.
    Zwei, drei fahren auch mit der ganzen Family nach Essen oder Offenbach oder Neuss zu Verwandten. Richtig in Ferien (ohne Verwandte, aber mit Meer oder Bergen) fährt niemand. Die meisten bleiben hier in der Stadt. Die kopftuchtragenden Mädchen können nicht mal ins Schwimmbad gehen. Ausflüge macht man nicht. An einen See fahren? Fehlanzeige. Ferienspiele? Uncool.
    Was bleibt? Zu Hause hocken, vor dem Computer sitzen, chatten, telefonieren, auf der Straße rumhängen, auf kleine Geschwister aufpassen, Verwandtenbesuche am Wochenende. Das war’s. Besonders die Mädchen werden leiden, weil die vielen unbeaufsichtigten Stunden in der Schule wegfallen und sie im Haushalt helfen müssen, anstatt rausgehen und sich mit den Freundinnen treffen zu können.
    Und ich weiß jetzt schon, am ersten Schultag werden sie sich halb totfreuen, wenn sie wieder in die Schule gehen dürfen. Sie werden sich stürmisch mit vielen Küsschen rechtslinksrechts begrüßen, sich gegenseitig versichern, es war «voll langweilig», sie werden sogar mich freudig umarmen (aus Versehen).
    Aber wenn dann auch nur das kleinste Fitzelchen Unterricht um die Ecke kommt, werden sie schreien und jammern und sich dringend die Ferien zurückwünschen.

Evet – ich will!
    Kollege Karl machte mir seinen Antrag vor genau acht Jahren auf unserer Weihnachtsfeier. Daran erinnere ich mich so gut, als ob es gestern gewesen wäre.
    Ich war zu dem Zeitpunkt, was die Leitung meiner Zehnten betraf, faktisch Single und träumte von einem netten Mann, der mit mir zusammen im nächsten Schuljahr eine neue Klasse übernehmen würde – in guten wie in schlechten Tagen.
    Nach dem Dessert setzte sich Karl zu mir und fragte: «Frl. Krise, du bist zur Zeit solo, stimmt’s?»
    Ich nickte und sagte: «Ja, seitdem Harry mich verlassen hat, schlage ich mich alleine mit meiner Klasse durch.»
    Karl sah mir tief in die Augen: «Nächstes Schuljahr … ich dachte … wir könnten … Frl. Krise, willst du zusammen mit mir eine siebte Klasse übernehmen?»
    Eigentlich kannte ich Karl gar nicht, mehr als «Guten Morgen» und «Schönes Wochenende» hatten wir noch nie zueinander gesagt. Aber er wirkte freundlich und zuverlässig, und so gab ich mir einen Ruck und hauchte: «Ja, ich will!»
    Später gestand mir unser Chef, Herr Fischer, er hätte das alles eingefädelt.
    Karl und ich regeln das Management unserer Klasse nach dem Grundsatz: Er die Organisation, ich die Animation. Hatte ich in den Jahren zuvor in Zeugniszeiten aus begründeter Angst, etwas zu vergessen oder falsch zu machen, schlecht geschlafen und die Zeugnislisten so unentspannt behandelt wie einen mit Dynamit geladenen Säugling, so durfte ich jetzt aufatmen. Karl legt Wert darauf, mich komplett aus diesem ganzen Schlamassel der Zeugnisherstellung herauszuhalten. Ich vermute, dass er auf Nummer sicher gehen will.
    Das mit der Organisation soll übrigens nicht heißen, dass er nicht auch für unsere Unterhaltung sorgt, denn er ist eine unerschöpfliche Fundgrube für Witze und Sprüche.
    Außerdem kennt

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