Ghost Lover
habe die halbe Nacht damit verbracht, die Tagebücher von Samuel Pepys zu lesen.“
„Wer ist Samuel Pepys?“, fragten Ella und Marcus gleichzeitig. Ihre Blicke trafen sich und Ella unterdrückte ein Schmunzeln.
„Ein Tagebuchautor und Chronist unter Karl dem Zweiten von England.“
„Und das soll dabei helfen, mein Tagebuch zu übersetzen?“ Ella konzentrierte sich auf Sofie. „Und das ist hilfreich für Marcus’
Tagebuch-Übersetzung?“
Sie schaltete die Kaffeemaschine an, und während diese gurgelnd ihre Arbeit tat, antwortete Sofie: „Ich halte es für vorteilhaft, mich mit der Sprache und der Ausdrucksweise von damals vertraut zu machen.“ Ella holte eine Tasse aus dem Schrank und gab zwei Löffel Zucker hinein, da sie wusste, dass Sofie ihren Kaffee gerne süß und schwarz trank.
„Soweit ich weiß, sprach man bereits zu Shakespeares Zeiten ein nahezu modernes Englisch.“ Ella reichte Sofie den Kaffee.
„Stimmt, aber bestimmte Ausdrücke haben sich doch noch verändert.“ Sofie nahm die Tasse entgegen, schnupperte genießerisch an dem dampfenden Kaffee und nahm einen Schluck. „Wäre peinlich, wenn wir gravierende Fehler bei der Übersetzung machten. Die Historiker würden uns auslachen.“
„Moment mal“, protestierte Marcus. „Das meint sie doch nicht ernst, oder? Sie hat nicht vor, einen Haufen wildfremder Menschen meine geheimsten Gedanken lesen zu lassen?“
„Willst du die Aufzeichnungen etwa jemandem zum Lesen geben?“ Sofie zuckte mit den Achseln. „Eigentlich schon, außer das Journal ist langweilig und öde.“
„Langweilig und öde? Was bildet dieses Weibsbild sich ein? Sie redet von meinem Leben“, polterte Marcus los. Er warf die Arme in die Luft. „Sie entweiht meine Knochen, führt Freudentänze über meinem Leichnam auf und jetzt bezeichnet sie mein Leben als Nichtigkeit.“
„Marcus ist keine Nichtigkeit“, stellte Ella sachlich fest.
Sofie musterte sie verwundert. „Er ist tot, seit über zweihundert Jahren.“ Ella kaute auf ihrer Unterlippe. „Dennoch. Meinst du nicht, er hat Respekt und Frieden verdient? Er lag zweihundert Jahre eingemauert unter meinem Haus. Und du redest davon, ihm das letzte bisschen Würde zu rauben.“
Marcus streckte die Hand nach Ella aus und berührte ihre Wange.
„Ich liebe dich.“ Er wirkte aufgewühlt und Ella musste sich zwingen, ihm nicht in die Arme zu fallen.
„Siehst du das so?“ Sofie ließ sich auf einen Stuhl sinken. „So habe ich das offen gesagt noch gar nicht betrachtet.“ Nachdenklich nippte sie an ihrem Kaffee. „Ich muss mir das durch den Kopf gehen lassen. Und ich verspreche dir, dass ich nichts unternehmen werde, ohne mit dir darüber zu reden.“
„Danke!“ Ella schenkte Sofie ein nervöses Lächeln. „Hast du das Tagebuch dabei?“
„Hmm“, machte sie, weil sie gerade aus ihrer Tasse trank. Sie griff in ihre Handtasche und legte das Tagebuch auf den Tisch.
Marcus streckte seine Hand danach aus, strich nach kurzem Zögern aber nur über den Einband.
Ella ging hin und schlug die erste Seite auf.
„Grauenvolle Schrift, nicht wahr?“ Sofie beobachtete Ella aufmerksam.
„Meine Eigene ist furchtbar, die hier ist nur altmodisch.“
„Du hast kein Problem damit?“
Als Ella den Kopf schüttelte, klatschte Sofie begeistert in die Hände.
„Super! Ich kann dieses schwungvoll gekünstelte Gekritzel kaum lesen.“
„Oh Wunder, oh Wunder“, spöttelte Marcus. „Würdest du bitte die nächste Seite umblättern? Ich habe die hier schon gelesen.“ Ella blätterte weiter.
„Ich gehe und hole einen Block und Kuli. Dann können wir anfangen“, erklärte sie. „Würdest du den Tisch abräumen?“
Sofie erhob sich und während sie den Tisch abräumte, überblätterte Marcus in unbeobachteten Momenten die für ihn unwichtigen Eintragungen.
Als Sofie sich setzte, schloss sie das Tagebuch zu Marcus’ Enttäuschung sofort wieder.
Ella kam mit Block und Stiften bewaffnet wieder in die Küche und setzte sich neben ihre Freundin.
Diese drehte sich zu ihr und musterte sie neugierig, bis Ella nicht anders konnte als zu fragen: „Du willst etwas wissen, oder?“
„Der Mann, der bei dir war. Ist das dein Freund?“ Ella zuckte mit den Schultern.
Sofie Augen wurden rund. „Oh, ein One-Night-Stand?“ Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, geht mich nichts an.“
„Schon gut, nein, kein One-Night-Stand. So etwas ist nicht meins.“ Hilfe suchend blickte sie Marcus an.
Er zuckte mit den
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