Ghost Lover
leises, ersterbendes Seufzen.
Marcus stürzte am Arzt vorbei, riss die Türe zum Schlafgemach auf und sah noch, wie Penelopes Hand leblos von der Matratze rutschte.
In diesem Moment fühlte er, wie seine Welt zerbrach. Alles, was er für sein Leben geplant hatte, was er erwartet hatte, war gerade eben gestorben.
Sofie und Ella beugten sich über Marcus’ neusten Eintrag.
„Ein Ausbund an Fröhlichkeit schien er mir nicht zu sein“, meinte Sofie, während sie die Passage ins Deutsche übersetzte.
„Nein“, stimmte Ella nachdenklich zu. Sie hob ihren Kopf und sah direkt in Marcus’ Gesicht. Seine Augen waren trauerumwölkt. „Er hatte Kummer.“
Sofie warf ihr einen kurzen Blick zu. „Woher weißt du das? Du hast vorgeblättert, als ich eben auf der Toilette war.“
„Es ist spürbar“, behauptete sie. „Bei jedem Wort fühlt man, wie traurig er ist.“
Sofie brummte und schrieb weiter.
„Verrate nicht zu viel, sie wird nicht verstehen, woher du das alles weißt“, warnte Marcus.
Ella nickte.
Sofie stieß einen Schrei aus und Ella schrak zusammen.
„Was ist los?“, fragte sie und beugte sich hektisch über das Tagebuch.
Sofie deutete auf eine Stelle. „Hier steht es: Seit Penelope tot ist, ist die Welt ein dunkler Ort …“
Ella fühlte einen kleinen Stich in ihrem Innern. Natürlich war sie nicht die Einzige, die Marcus je geliebt hatte. Aber das zu wissen und einen Beweis zu sehen, waren zwei unterschiedliche Dinge. Selbst wenn die andere Frau seit einer schieren Ewigkeit tot war.
„Es war anders mit Penelope. Wir liebten einander wie Bruder und Schwester und einen süßen Sommer lang glaubten wir, uns verbände mehr als Freundschaft. Ich ging nach London, sie blieb in Maidenly Green. Wir sahen uns erst um Weihnachten herum, da war die Schwangerschaft kaum mehr zu verbergen. Sie schämte sich so sehr, dass sie nicht wagte, mir davon zu erzählen.“ Marcus sah Ella fest in die Augen.
Ella lächelte. Seine Hand war echt und warm und sie wusste, dass sie nur die ihre auszustrecken brauchte, um Marcus zu berühren.
„Ach, wie traurig. Anscheinend ist seine Frau im Kindbett gestorben.“
„Frau?“, rief Ella und Marcus fragte im gleichen Augenblick: „Meint sie Frau wie Gemahlin?“
Sie starrten einander atemlos an, dann beugte sich Ella eifrig über das Tagebuch und suchte die entsprechende Passage.
„Penelope, meine Freundin und Gemahlin und Mutter meines Sohnes Nicholas“, flüsterte Marcus. „Ich war nicht der Schuft, für den ich und alle Welt mich hielten.“
Hinter Sofies Rücken gelang es Ella, Marcus’ Hand zu drücken.
„Aber warum ist sie dann aus der Familienbibel gestrichen worden und liegt als Constance Aldly in einem mickrigen Grab?“, fragte Ella.
Sofie starrte Ella aus großen Augen an. „Constance? Hast du nicht zugehört? Penelope war ihr Name. Wie kommst du darauf, dass Penelope und Constance dieselbe Frau war? Das steht hier nirgends.“ Sofie sah Ella misstrauisch an. „Du hast doch gespitzelt? Oder?“ Ella zuckte mit den Achseln. „Ein bisschen“, log sie und war sich der Ironie des Ganzen bewusst.
Sofie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Geschenkt, ich hätte es auch gemacht. Ist doch zu verführerisch.“ Sie zwinkerte.
Eine Stunde später gähnte Sofie verstohlen.
„Ich finde, jetzt ist es genug. Können wir Schluss machen?“ Ella beendete den Satz und sah auf. „Bist du sicher?“ Sie war ebenfalls erschöpft, doch Marcus zuliebe hätte sie noch die halbe Nacht vor dem Tagebuch gesessen. Andererseits war es aber auch so, dass Ella sich an die Hoffnung klammerte, Marcus umso länger bei sich halten können, je langsamer die Übersetzung des Journals fortschritt.
„Absolut sicher“, bekräftigte Sofie. „Ich bin hundemüde.“ Ella klappte das Buch zu und Sofie nahm es an sich.
„Vielleicht hast du recht. Wir sollten ausgeschlafen sein, wenn wir uns mit den Einträgen beschäftigen.“ Ella rieb sich die Augen und schob den Stuhl zurück.
„Wollen wir uns morgen wieder zusammensetzen?“
Sofie verneinte. „Ich muss rüber nach Sussex. Da gibt es ein paar exzellent ausgestattete Herrenhäuser, die nur darauf warten, fotografiert zu werden.“ In ihrer Stimme schwang ein bedauernder Unterton mit.
Ella gab sich Mühe, ihre Erleichterung zu verbergen. „Kann man nichts machen.“
Sie umarmten sich zum Abschied und Ella eilte zu Marcus zurück. Sie fand ihn im Gewächshaus. Sie lief gegen die schwüle Luft im Inneren wie
Weitere Kostenlose Bücher