Ghost Lover
siebzehnhundertneunundfünfzig. „
Ein kalter Tag. Lt. Gibbs suchte mich auf …“
„Ich erinnere mich an ihn. Ein fürchterlicher Stiefellecker …“ Sofie fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang.
„Gibbs ist ein dienstbeflissener Mann. Ich werde ihn für eine Beförderung vorschlagen …“
„Ein Stiefellecker also?“ Ella warf Marcus einen Blick aus hochgezogenen Augenbrauen zu.
„Er war ein Stiefellecker, damals war ich offenbar noch nicht zu der Erkenntnis gelangt.“ Marcus gab wieder den hochmütigen Adligen und Ella verkniff sich ein spöttisches Lachen.
Sie übersetzten gemeinsam die nächsten Eintragungen. Manchmal verbesserte Marcus die beiden, was Ella dann pflichtschuldigst an Sofie weitergab.
Irgendwann lehnte Sofie sich zurück und gähnte. „Ich habe genug“, sagte sie und klappte das Tagebuch zu.
Ella wischte sich verstohlen über die Augen. Es war später Nachmittag und mittlerweile hatten Kaffee und Cola ihre Wirkung verloren.
„Ich auch“, gestand sie seufzend.
Sofie packte die Unterlagen ein und erhob sich. „Na, dann lass ich dich allein, damit du dich hinlegen kannst.“
An der Haustür umarmte Ella Sofie und winkte ihr zum Abschied, als diese mit ihrem Auto vom Hof fuhr.
Marcus trat hinter sie und hauchte ihr einen Kuss auf den Nacken.
Ella kuschelte sich an ihn.
„Du siehst müde aus. Du legst dich ein wenig hin und schläfst.“
„Normalerweise würde ich mich weigern, wie ein kleines Kind ins Bett geschickt zu werden. Aber heute bin ich viel zu erschöpft dafür.“ Ella quiekte erschrocken, als Marcus sie auf seine Arme hob.
Marcus stieg die Treppen nach oben und trug Ella ins Schlafzimmer. Dort legte er sie sanft auf das Bett. Sie lag da und sah zu ihm auf. Und gab diesen süßen Laut von sich, der ihn immer völlig willenlos machte.
„Du siehst auch müde aus“, erklärte sie und klopfte neben sich.
Er konnte sich nicht erinnern, wann und wie er aus seinen Hosen geschlüpft war, doch er fand sich neben Ella liegend wieder. Er schloss die Arme um sie, zog sie an sich und sie kuschelte sich bereitwillig an ihn. So lagen sie eine ganze Weile beisammen, bis Ellas tiefe Atemzüge verrieten, dass sie eingeschlafen war.
Marcus blieb bewegungslos liegen und genoss Ellas Nähe und Wärme.
Nie hätte er geglaubt, dass er einen anderen Menschen so sehr lieben konnte. So sehr, dass er für ihn sogar gestorben wäre. Er verzog sein Gesicht zu einem schmerzerfüllten Grinsen. Mit ein bisschen Fantasie konnte man es sogar so betrachten, dass er gestorben war, um Ella zu finden. Hätte er sein erstes Leben als sterblicher Mensch weitergeführt, wäre er nach England zurückgekehrt und hätte irgendeine blasse, öde Debütantin geheiratet. Hätte mit ihr ein paar ebenso langweilige Sprösslinge in die Welt gesetzt und wäre irgendwann gestorben, vermutlich ohne die Hölle als Geist zu erfahren. Und er hätte niemals herausgefunden, welche Wonnen wahre Liebe bereithielt.
Es war der Himmel. Und zugleich die Hölle.
Und er würde keinen Zoll dieser Erfahrung missen wollen.
Sie erwachten mitten in der Nacht von den Geräuschen aufheulender Motoren. Ella lag in Löffelchenstellung an Marcus gekuschelt und lauschte einen Moment desorientiert.
Marcus sprang aus dem Bett und sah aus dem Fenster.
„Um Himmels willen, was ist da los?“ Ella trat neben ihn und beobachtete die Szene, die sich ihr bot.
Eine Gruppe Jugendlicher raste auf Motorrädern über das Grundstück.
Ein Teil von ihnen fuhr durch Blumenbeete, drei bis vier Jungen verwüsteten den Pavillon und ein paar weitere hatten sich mit Steinen und leeren Bierflaschen bewaffnet und warfen die Scheiben des Gewächshauses ein.
Ella stieß ein Schluchzen aus und schlug die Hände vor den Mund. Dann stürzte sie zu ihrem Handy und gab eine Nummer ein.
Marcus warf einen kurzen Blick auf sie und trat entschlossen zur Tür.
„Ich werde diese Halunken Mores lehren!“
„Marcus!“, rief sie ihm hinterher.
Mit finsterer Miene trat Marcus in den Garten hinaus.
Ellas entsetzte Miene hatte ihm ins Herz geschnitten. Er wusste nicht, was er genau unternehmen konnte, doch es war seine Pflicht, Ella zu beschützen.
Einen Moment lang sah er sich um und überlegte, was zu tun war. Er würde die Rowdys nicht berühren können, doch für die unbelebten Gegenstände galt nicht dasselbe.
Ein paar der Jungen hatten ihre Motorräder säuberlich nebeneinandergestellt, ein interessantes Verhalten dafür, dass es kein Problem für
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