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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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hatte. Jedenfalls lag, als er mich schließlich wieder anschaute, keinerlei Zorn in seinem Gesichtsausdruck, sondern nichts als eine große Müdigkeit.
    »Ich will, dass Sie eins verstehen«, sagte er mit großem Nachdruck. »Alles, was ich getan habe, als Parteichef wie als Premierminister, habe ich aus Überzeugung getan ... alles ... weil ich geglaubt habe, dass es das Richtige ist.«
    Ich murmelte eine Antwort. Ich stand wie unter Schock.
    »Emmett behauptet, dass Sie ihm Fotos gezeigt haben. Stimmt das? Darf ich sie sehen?«
    Meine Hände zitterten etwas, als ich sie aus dem Umschlag zog und über den Tisch schob. Über die ersten vier blätterte er schnell hinweg, beim fünften – dem mit Emmett auf der Bühne – hielt er kurz inne. Dann fing er wieder von vorn an und nahm sich diesmal für jedes einzelne Foto mehr Zeit.
    »Wo haben Sie die her?«, fragte er, ohne den Blick von den Fotos abzuwenden.
    »McAra hat sie sich aus dem Archiv schicken lassen. Ich hab sie in seinem Zimmer gefunden.«
    Über Lautsprecher forderte der Kopilot uns auf, die Sicherheitsgurte anzulegen.
    »Komisch«, sagte Lang. »Komisch, wie sehr wir uns alle verändert haben und trotzdem genau die Gleichen geblieben sind. Mike hat nie ein Wort über irgendwelche Fotos fallen lassen. Dieses verfluchte Archiv!« Er kniff die Augen zusammen und schaute sich eine der Aufnahmen vom Flussufer ganz genau an. Mehr als von sich selbst oder Emmett, fiel mir auf, war er anscheinend von den Mädchen fasziniert. »An die kann ich mich erinnern«, sagte er und klopfte auf das Foto. »Und an die. Als ich Premierminister war, hat sie mir mal geschrieben. Ruth war nicht gerade erbaut. O Gott«, sagte er und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ruth.« Einen Augenblick lang dachte ich, er würde zusammenbrechen, aber als er mich wieder anblickte, waren seine Augen klar. »Was passiert jetzt? Haben Sie in Ihrer Branche eine Methode, wie man mit einer derartigen Situation umgeht?«
    Im Fenster wurden jetzt deutliche Lichtmuster sichtbar. Ich konnte Autoscheinwerfer auf einer Straße erkennen.
    »Der Auftraggeber hat das letzte Wort darüber, was ins Buch kommt«, sagte ich. »Immer. Allerdings müssen in diesem Fall, angesichts der Umstände ...«
    Auf der Aufzeichnung geht meine Stimme jetzt unter. Ein lautes Knacken ist zu hören, weil Lang sich vorbeugt und meinen Unterarm umfasst.
    »Wenn Sie damit das meinen, was mit Mike passiert ist... Sie müssen mir glauben, dass ich entsetzt war, dass mich das tief getroffen hat.« Er schaute mich fest und unerschütterlich an: Mit allem, was ihm an Kraft geblieben war, versuchte er mich zu überzeugen, und ich gestehe offen, dass ihm das gelang – trotz allem, was ich über ihn herausgefunden hatte. Bis zum heutigen Tag bin ich mir sicher, dass er die Wahrheit gesagt hat. »Und wenn Sie mir auch sonst nichts glauben, aber das müssen Sie mir bitte glauben, dass sein Tod nichts mit mir zu tun hat. Das Bild von Mike im Leichenschauhaus wird mich bis ins Grab verfolgen. Ich bin mir sicher, dass es ein Unfall war. Aber gut, um der Debatte willen, sagen wir, dass es kein Unfall war.« Sein Griff wurde noch fester. »Was hat er sich dabei gedacht, nach Boston zu fahren und Emmett zur Rede zu stellen? Er war lange genug im Politikgeschäft, um zu wissen, dass man so etwas nicht tut – nicht wenn der Einsatz so hoch ist. In gewisser Weise hat er sich selbst umgebracht. Das war ein selbstmörderischer Akt.«
    »Genau das macht mir Sorgen«, sagte ich.
    »Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, dass Ihnen das Gleiche zustoßen könnte«, sagte Lang.
    »Der Gedanke ist mir gekommen.«
    »In dieser Hinsicht brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Das kann ich garantieren.« Ich schätze, meine Zweifel standen mir ins Gesicht geschrieben. »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt!«, sagte er eindringlich. Wieder umklammerte er meinen Unterarm. »Im Augenblick sind vier Polizeibeamte in diesem Flugzeug! Für was für Menschen halten Sie uns?«
    »Das ist der Punkt«, sagte ich. »Was für Menschen sind sie?«
    Im Sinkflug schwebten wir dicht über den Baumwipfeln. Die Lichter der Gulfstream glitten über die dunklen Wellen des Blätterdachs. Ich versuchte meinen Arm wegzuziehen.
    »Entschuldigung«, sagte ich.
    Lang ließ zögernd meinen Arm los, und ich legte den Sicherheitsgurt an. Er tat das Gleiche. Er schaute durch das Fenster zum Flughafengebäude und dann, während wir elegant auf der Landebahn aufsetzten,

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