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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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die Nase zu und schluckte fest.
    Amelia kam durch den Gang auf uns zu.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie. Sie sah besorgt aus. natürlich hatte sie Langs Wutausbruch mitbekommen. Wie jeder andere in der Kabine auch.
    »Wir arbeiten nur ein bisschen an meinen Memoiren«, sagte Lang. »Ich erzähle ihm gerade, wie die ›Operation Tempest‹ abgelaufen ist.«
    »Nehmen Sie das auf?«, fragte Amelia mich.
    »Wenn das in Ordnung geht«, sagte ich.
    »Seien Sie vorsichtig«, sagte sie zu Lang. »Denken Sie dran, was Sid Kroll gesagt hat.«
    »Die Aufzeichnungen gehören Ihnen«, sagte ich. »Nicht mir.«
    »Aber sie könnten beschlagnahmt werden.«
    »Hören Sie auf, mich wie ein Kind zu behandeln«, fuhr Lang sie grob an. »Ich weiß, was ich sagen will. Das wird jetzt ein für alle Mal erledigt.«
    Amelias Augen weiteten sich kurz, aber das war alles, was sie sich an Reaktion gestattete. Sie zog sich wieder zurück.
    »Frauen!«, brummte Lang. Er trank einen Schluck Brandy. Das Eis war schon geschmolzen, aber die Flüssigkeit immer noch dunkel. Offenbar hatte er sich einen ziemlich kräftigen Schluck einschenken lassen, und mir kam der Gedanke, dass unser ehemaliger Premierminister leicht angetrunken war. Ich spürte, dass das meine Chance war.
    »Auf welche Art war Mike McAra blauäugig?«, fragte ich.
    »Vergessen Sie’s«, murmelte Lang. Mit dem Kinn auf der Brust brütete er vor sich hin und hielt sich an seinem Drink fest. Plötzlich fuhr er wieder in die Höhe. »Und dann diese ganze Scheiße mit den Bürgerrechten. Wissen Sie, was ich machen würde, wenn ich wieder an der Macht wäre? Ich würde sagen, okay, Leute, ab sofort gibt’s am Flughafen zwei Schlangen. Links ist die Schlange für Flüge, bei denen wir nichts machen, keine Hintergrundüberprüfung der Passagiere, keine Personenprofile, keine biometrischen Daten, nichts, was die kostbaren Bürgerrechte von irgendwem verletzt, und wir verwerten auch keine unter Folter erlangten Informationen – nichts. Rechts ist die Schlange für die Flüge, bei denen wir alles Menschenmögliche für die Sicherheit der Passagiere unternommen haben. Und dann können die Leute selbst entscheiden, in welches Flugzeug  sie einsteigen. Wäre das nicht fantastisch? Sich zurückzulehnen und zu beobachten, wo die Rycarts dieser Welt wirklich ihre Kinder einchecken würden, wenn’s hart auf hart geht?«
    »Und Mike war so einer?«
    »Nicht am Anfang. Aber leider hatte Mike auf seine alten Tage den Idealismus für sich entdeckt. Ich hab zu ihm gesagt, das war übrigens bei unserer letzten Unterhaltung, ich hab also zu ihm gesagt, wenn Jesus Christus, als er auf die Erde gekommen ist, es nicht geschafft hat, alle Probleme dieser Welt zu lösen – und er war schließlich der Sohn Gottes –, ob es da nicht ein bisschen unsinnig von ihm, Mike, sei, von mir zu erwarten, dass ich das alles in zehn Jahren ins Lot bringe?«
    »Stimmt es, dass Sie einen ernsten Krach mit ihm hatten? Kurz vor seinem Tod, meine ich?«
    »Mike hat wilde Anschuldigungen erhoben. Die konnte ich nicht so einfach übergehen.«
    »Darf ich fragen, was das für Anschuldigungen waren?«
    Ich sah schon vor mir, wie sich Rycart und der Sonderermittler beim Abhören der Aufzeichnung aufrichteten. Ich musste wieder schlucken. Ich hörte meine Stimme nur sehr gedämpft, so als ob ich in einem Traum spräche oder aus großer Entfernung mir selbst etwas zuriefe. Die Pause auf der Aufzeichnung ist ziemlich kurz, obwohl sie mir damals wie eine Ewigkeit vorkam. Als Lang schließlich antwortete, klang seine Stimme absolut ruhig.
    »Ich ziehe es vor, sie nicht zu wiederholen.«
    »Hatten sie etwas mit der CIA zu tun?«
    »Ach, kommen Sie, das wissen Sie doch schon«, sagte Lang bitter. »Oder haben Sie sich etwa nicht mit Paul Emmett getroffen?«
    Diesmal ist die Pause auf der Aufzeichnung so lang wie in meiner Erinnerung.
    Nachdem er die Bombe hatte platzen lassen, schaute er aus dem Fenster und nippte an seinem Drink. Unter uns waren schon ein paar vereinzelte Lichtpunkte zu sehen. Wahrscheinlich Schiffe. Ich schaute ihn an und erkannte, dass die Jahre ihn schließlich doch eingeholt hatten. Man sah es an dem welken Fleisch rund um die Augen und der schlaffen Haut unter dem Kinn. Aber vielleicht lag es auch gar nicht am Alter, vielleicht war er einfach nur ausgelaugt. Ich bezweifele, dass er in den zurückliegenden Wochen noch richtig hatte schlafen können, wahrscheinlich nicht mehr, seit McAra ihn zur Rede gestellt

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