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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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wieder zu mir – entsetzt.
    »Mein Gott, Sie haben es schon jemandem erzählt. Hab ich recht?«
    Ich merkte, wie ich puterrot anlief.
    »Nein«, sagte ich.
    »Doch, das haben Sie.«
    »Nein.« Auf der Aufnahme klinge ich so windelweich wie ein Kind, das die Hand noch in der Keksdose hat.
    Er beugte sich wieder vor.
    »Wem haben Sie es erzählt?«
    Während ich zu dem dunklen Wald jenseits der Flugplatzumzäunung schaute, wo mir alles Mögliche auflauern konnte, erschien mir Rycart wie die einzige Versicherungspolice, die ich hatte.
    »Richard Rycart«, sagte ich.
    Das muss ein verheerender Schlag für ihn gewesen sein. In diesem Moment muss ihm klar gewesen sein, dass alles aus war. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ihn regungslos dasitzen – wie einen von diesen ehedem pompösen, aber jetzt dem Untergang geweihten Wohnblöcken, Augenblicke nachdem man die Sprengladungen gezündet hat: Einige wenige Sekunden lang bleibt die Fassade bizarrerweise noch intakt, bevor sie langsam in sich zusammenzusacken beginnt. Das war Lang. Er schaute mich lange mit leeren Augen an und sank dann in seinen Sessel zurück.
    Das Flugzeug kam vor dem Flughafengebäude zum Stehen. Die Motoren erstarben.
     
     
    *
     
    In dieser Situation tat ich dann schließlich doch noch etwas Schlaues.
    Während Lang in seinem Sessel saß und über seinen Untergang brütete und Amelia auf uns zuhastete, um herauszufinden, was ich gesagt hatte, war ich geistesgegenwärtig genug, die Minidisc aus dem Rekorder zu nehmen, in meine Jackentasche zu stecken und stattdessen eine leere Disc einzulegen. Lang und Amelia bemerkten nichts: Er war zu betäubt und sie zu sehr auf ihn fixiert.
    »Schluss jetzt«, sagte sie bestimmt. »Das reicht für heute.« Sie nahm das Glas aus seiner schlaffen Hand und gab es dem Steward. »Kommen Sie, Adam, Ruth wartet im Terminal.« Sie beugte sich über ihn, öffnete den Sicherheitsgurt und nahm seine Anzugjacke vom Nebensitz. Sie hielt ihm die Jacke hin, damit er hineinschlüpfen konnte, und schüttelte sie dabei ganz leicht, so wie ein Stierkämpfer sein rotes Tuch, aber ihre Stimme klang sehr zärtlich. »Adam?«
    Gehorsam, wie in Trance, stand er auf und schaute leer in Richtung Cockpit, während sie ihm die Arme in die Ärmel bugsierte. Über seine Schulter blickte sie mich zornig an und formte mit den Lippen, aufgebracht und sehr deutlich in der für sie typischen präzisen Diktion die Worte: »Was soll der Scheiß?«
    Eine gute Frage. Was für einen Scheiß zog ich hier eigentlich ab? Vorn wurde die Tür geöffnet, und drei der Special-Branch-Männer stiegen aus. Ein Schwall kalter Luft wehte durch die Kabine. Lang setzte sich in Bewegung, mit dem vierten Leibwächter als Vorhut und Amelia im Rücken. Ich verstaute schnell den Rekorder und die Fotos in der Schultertasche und folgte ihnen. Der Pilot war aus dem Cockpit gekommen und stand bereit, um sich zu verabschieden. Ich sah, wie Lang die Schultern durchdrückte und mit ausgestreckter Hand auf ihn zuging.
    »Wunderbarer Flug«, sagte Lang geistesabwesend. »Wie immer. Meine Lieblingslinie.« Er schüttelte dem Piloten die Hand, beugte sich dann zur Seite und verabschiedete sich auch vom Kopiloten und vom Steward. »Danke, vielen Dank.« Als er sich zu uns umdrehte, lächelte er immer noch sein professionelles Lächeln, aber es verfiel schnell. Er wirkte angeschlagen. Der Leibwächter war schon halb die Treppe hinuntergegangen. Amelia, ich und die beiden Sekretärinnen warteten noch darauf, nach Lang das Flugzeug verlassen zu können. Hinter der Scheibe des erleuchteten Flughafengebäudes konnte ich undeutlich Ruths Gestalt ausmachen. Sie war zu weit weg, als dass ich ihre Gesichtszüge hätte erkennen können. »Tun Sie mir den Gefallen, und warten Sie noch einen Moment, bis Sie nachkommen, okay?«, sagte er zu Amelia. »Sie auch, ja?«, sagte er zu mir. »Ich muss mich kurz allein mit meiner Frau unterhalten.«
    »Ist alles in Ordnung, Adam?«, fragte Amelia. Sie arbeitete schon zu lange mit ihm zusammen und liebte ihn wohl auch zu sehr, um nicht zu spüren, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
    »Alles bestens«, sagte Lang. Er berührte sie leicht am Ellbogen und wandte sich dann mit einer angedeuteten Verbeugung an uns alle, mich eingeschlossen. »Vielen Dank, meine Damen und Herren, und gute Nacht.«
    Dann zog er den Kopf ein und trat vor die Tür, hielt auf der obersten Stufe kurz inne, schaute sich um und strich sich das Haar glatt. Amelia und ich

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