Ghost
beobachtete. Mit dem Glas deutete er fahrig auf den Sessel ihm gegenüber.
»Hallo, Mann«, sagte er, »setzen Sie sich.« Er öffnete die Augen ganz, gähnte und hielt sich den Handrücken vor den Mund. »Entschuldigung.«
»Hallo, Adam.«
Ich setzte mich und stellte die Schultertasche auf dem Schoß ab. Ich kramte ein Notizbuch, den Rekorder und eine leere Minidisc heraus. Das war es doch, was Rycart wollte, oder? Aufzeichnungen? Die Nervosität machte meine Bewegungen ungelenk. Hätte Lang nur die Stirn gerunzelt, hätte ich den Rekorder sofort wieder eingepackt. Aber er schien nichts zu bemerken. Dieses Ritual am Ende eines offiziellen Besuchs hatte er schon so viele Male über sich ergehen lassen – der Journalist, der ihm für ein paar exklusive Interviewminuten zugeführt wurde; der von nervösen Fingern überprüfte Rekorder, damit er auch wirklich funktionierte; die Illusion der Zwanglosigkeit, wenn man beim premierministeriellen Entspannungsdrink plauschte. Auf der Aufnahme kann man seiner Stimme die Erschöpfung anhören.
»Und?«, sagte er. »Wie läuft’s?«
»Läuft«, sagte ich. »Läuft sogar gut.«
Wenn ich die Aufnahme jetzt abhöre, klingt meine Stimme vor Nervosität so schrill, als hätte ich Helium inhaliert.
»Irgendwas Interessantes herausgefunden?«
Da war ein Funkeln in seinen Augen. Verachtung? Belustigung? Ich spürte, dass er mit mir spielte.
»Dies und das. Wie war Washington?«
»Washington war großartig. Wirklich großartig.« Ein raschelndes Geräusch ist zu hören. Er richtet sich leicht im Sessel auf, bringt sich in Positur für eine allerletzte Nummer, bevor das Theater für diesen Abend die Pforten schließt. »Von allen Seiten werde ich fantastisch unterstützt – vom Kongress natürlich, das haben Sie ja wahrscheinlich gesehen, aber auch vom Vizepräsidenten und vom Außenminister. Sie werden mich auf jede nur mögliche Weise unterstützen.«
»Heißt das unter dem Strich, dass Sie sich in Amerika niederlassen können?«
»Ja. Wenn es hart auf hart kommt, dann gewähren sie mir auf jeden Fall Asyl. Vielleicht besorgen sie mir sogar irgendeinen Job, solange ich dafür nicht über den Teich muss. Aber so weit wird es nicht kommen. Sie werden mir nämlich etwas liefern, das viel wertvoller ist.«
»Wirklich?«
Lang nickte. »Beweise.«
»Aha.« Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
»Läuft das Ding da?«, fragte er.
Man hört ein ohrenbetäubendes Knirschen und Knacken, als ich den Minidisc-Rekorder hochhebe.
»Ja, glaube schon. Ist das okay?«
Dann einen dumpfen Schlag, als ich ihn wieder hinstelle.
»Klar«, sagte Lang. »Ich wollte nur sichergehen, dass das festgehalten wird, weil wir das definitiv brauchen können. Das ist wichtig. Wir sollten uns das als exklusives Bonbon für die Memoiren aufheben. Bei den Verhandlungen über die Vorabdruckrechte wird das Wunder wirken.« Er beugte sich vor, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Washington ist darauf vorbereitet, beeidigte Aussagen zu präsentieren, dass kein Angehöriger der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs direkt an der Festnahme dieser vier Männer in Pakistan beteiligt war.«
»Wirklich?« Wirklich? Wirklich? Ich wiederhole das Wort wie ein Papagei, und jedes Mal zucke ich wieder zusammen, wenn ich meine kriecherische Stimme höre. Der stiefelleckende Höfling. Der Ghost ohne Rückgrat.
»Hundertprozentig. Der Direktor der CIA persönlich wird dem Gericht in Den Haag eine eidliche Aussage präsentieren mit dem Inhalt, dass die verdeckte Operation eine rein amerikanische Unternehmung war. Und wenn das noch nicht ausreicht, dann wird er die Offiziere, die die Aktion vor Ort durchgeführt haben, aussagen lassen – vor der Kamera!« Lang lehnte sich zurück und nippte an seinem Brandy. »Daran wird Rycart ganz schön zu knabbern haben. Worauf will er jetzt noch eine Anklage wegen Kriegsverbrechen aufbauen?«
»Aber Ihr Memorandum an das Verteidigungsministerium ...«
»Das ist authentisch«, gestand er achselzuckend zu. »Stimmt, ich kann nicht abstreiten, dass ich den Einsatz der SAS dringend empfohlen habe. Es stimmt auch, dass die britische Regierung nicht abstreiten kann, dass unsere Sondereinheiten zur Zeit der ›Operation Tempest‹ in Peschawar waren. Und wir können nicht abstreiten, dass es unsere Nachrichtendienste waren, die die Männer an dem Ort aufgespürt haben, wo sie dann verhaftet wurden. Aber es gibt keinen Beweis, dass wir diese Information an die CIA
Weitere Kostenlose Bücher