Ghost
beobachteten ihn aus dem Inneren des Flugzeugs. Er war genauso wie an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe: aus reiner Gewohnheit immer noch nach einem Publikum Ausschau haltend, mit dem er Kontakt aufnehmen könnte, obwohl der windige, in Flutlicht getauchte Platz menschenleer war – abgesehen von den wartenden Leibwächtern und einem Techniker vom Bodenpersonal, der Überstunden machte und sicher nichts lieber wollte, als nach Hause zu kommen.
Jetzt musste auch Lang seine Frau entdeckt haben, plötzlich hob er nämlich den Arm zum Zeichen, dass er sie gesehen hatte, und dann ging er federnd wie ein Tänzer die Stufen hinunter. Nachdem er das Rollfeld betreten und etwa zehn Meter auf den Terminal zugegangen war, rief der Techniker laut: »Adam!«, und winkte ihm zu. Die Stimme hörte sich nach einem Engländer an. Lang muss den Akzent seines Landsmannes erkannt haben, denn auf einmal änderte er die Richtung, entfernte sich von seinen Leibwächtern und schritt mit ausgestreckter Hand auf den Mann im Overall zu. Das ist mein letztes Bild von Adam Lang: ein Mann, der immer die Hand ausgestreckt hielt. Das Bild ist in meine Netzhaut eingebrannt – sein sehnsüchtiger Schattenriss vor einem sich aufblähenden grellweißen Feuerball, der ihn plötzlich verschlingt. Und dann waren da nur noch die herumfliegenden Trümmer, die schmerzhaften Gesteinsbrocken, das Glas, die Glutofenhitze und die dumpfe Lautlosigkeit der Explosion.
SECHZEHN
»Wenn es Sie auch nur ansatzweise stört, dass man Ihren Namen nicht erwähnt oder Sie nicht zur Buchpremiere einlädt, dann werden Sie in diesem Job sehr unglücklich sein.«
»GHOSTWRITER«
Nach dem ersten grellen Lichtblitz habe ich nichts mehr gesehen: Glassplitter und Blut verklebten meine Augen. Die Wucht der Explosion schleuderte uns zurück. Wie ich später erfuhr, schlug Amelia mit dem Kopf gegen einen der Kabinensessel und wurde ohnmächtig, während ich in der Dunkelheit und Stille im Gang lag, ob Minuten oder Stunden, kann ich nicht mehr sagen. Ich hatte keinerlei Schmerzen, außer als mir eine der Sekretärinnen bei ihrem panischen Versuch, das Flugzeug zu verlassen, mit dem Stöckelschuh auf die Hand trat. Aber ich konnte nichts sehen, und es dauerte mehrere Stunden, bis ich wieder einigermaßen hören konnte. Noch heute habe ich gelegentlich ein Brummen in den Ohren, das sich anhört wie eine Funkstörung und mich vom Rest der Welt abschneidet. Schließlich wurde ich weggetragen und bekam eine wunderbare Morphiumspritze, die wie ein warmes Feuerwerk in meinem Gehirn explodierte. Zusammen mit allen anderen Überlebenden wurde ich per Hubschrauber in ein Krankenhaus in der Nähe von Boston geflogen – wie sich herausstellte, lag die Klinik in nächster Nähe von Emmetts Wohnort.
Wer hat nie als Kind jemals heimlich etwas angestellt, das er damals für wirklich schlimm gehalten hat? Und dann hundertprozentig angenommen, dass er dafür bestraft werden würde? Ich erinnere mich, dass ich einmal eine wertvolle alte Grammofonplatte meines Vaters zerbrochen und sie, ohne etwas zu sagen, einfach wieder in die Hülle gesteckt hatte. Tagelang lebte ich mit der Horrorvorstellung, dass die Vergeltung jeden Augenblick über mich hereinbrechen würde. Aber nie fiel auch nur ein einziges Wort. Als ich mich dann irgendwann mal traute, nach der Platte zu suchen, war sie verschwunden. Mein Vater hatte sie wohl einfach weggeworfen.
Ähnliche Gefühle quälten mich nach der Ermordung Adam Langs. Während der folgenden ein oder zwei Tage lag ich in meinem Krankenhauszimmer – das Gesicht verbunden, auf dem Korridor saß ein Wachpolizist – und spulte im Geist immer wieder die Ereignisse der vergangenen Woche ab. Und immer kam ich zu dem Ergebnis, dass ich dieses Zimmer nie lebend verlassen würde. Wenn man sich einmal die Zeit nimmt und genau darüber nachdenkt, so ist es nirgendwo einfacher, einen Menschen zu entsorgen, als in einem Krankenhaus. Gehört fast zur täglichen Routine, könnte ich mir vorstellen. Wer wäre als Killer besser geeignet als ein Arzt?
Aber es passierte das Gleiche wie bei dem Vorfall mit der zerbrochenen Platte meines Vaters. Nämlich gar nichts. Während ich noch blind in meinem Bett lag, wurde ich von Special Agent Murphy aus dem Bostoner Büro des FBI freundlich darüber ausgefragt, an was ich mich noch erinnern könnte. Am folgenden Nachmittag, man hatte mir inzwischen die Verbände über den Augen abgenommen, kam Murphy noch einmal
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