Ghostman: Thriller (German Edition)
ich weiß, wo das Geld ist.«
DREIUNDVIERZIG
Ich erklärte es ihm so. Jedes zum Verkauf stehende Haus in den Vereinigten Staaten hat eine Nummer. Nicht nur die Hausnummer in der Straße, in der es steht, sondern noch eine andere, eine Art Code namens MLS , die Abkürzung für Multiple Listing Service: Wenn ein Makler ein Objekt auf den Markt bringt, bekommt es eine sechs- oder siebenstellige Nummer, die es jedem anderen Makler im ganzen Land ermöglicht, dieses Haus in einer Datenbank gelistet zu finden. Auf diese Weise kann beispielsweise ein Makler, der in Philadelphia sitzt, sich Häuser ansehen, die in Atlantic City angeboten werden, ohne gleich hinfahren zu müssen.
Aber seit die Wirtschaft den Bach hinuntergegangen ist, sind hunderttausende Häuser auf dem Markt, die niemand haben will. Alle verkaufen, niemand kauft. Das gilt vor allem für Häuser aus Zwangsvollstreckungen. Da steht viele Monate lang das Schild » ZU VERKAUFEN « im Vorgarten, und sie fangen an zu verrotten. Und ein verlassenes Haus ist ein perfektes Versteck nach einem Raubüberfall. Die Leute, die darin gewohnt haben, sind längst nicht mehr da, und die Gefahr, dass jemand nach so langer Zeit vorbeikommt, um es sich anzusehen, ist gleich null. Es kann schwierig sein, so etwas ohne Weiteres zu finden, aber es ist schon viel einfacher, wenn man einen korrupten Immobilienmakler oder Banker kennt, der nichts dagegenhat, das Objekt für kurze Zeit unter der Hand zu vermieten.
Die sieben Ziffern auf der Rückseite der Visitenkarte waren keine Telefonnummer. Sie waren die MLS -Nummer eines Hauses. Und Virginia ist nicht nur ein Staat. Es ist auch der Name einer Avenue in Atlantic City.
» Aber hast du irgendeinen Beleg für diese Theorie?«, fragte Marcus.
» Ich sehe es mir jetzt an.«
» Ich will keine Versprechungen. Ich will hören, dass du das Geld hast, und dann will ich hören, dass du es so tief vergraben hast, dass man einen Bagger braucht, um es wieder herauszuholen.«
» Es dauert nicht lange«, sagte ich. » Es ist genau die Sorte Versteck, die ich auch nehmen würde, wenn ich untertauchen müsste.«
» Aber du bist nicht Ribbons. Du bist gut in deinem Job.«
» Daran brauchst du mich nicht zu erinnern.«
Ich sah Marcus vor mir, wie er an seiner Unterlippe nagte. » Hat der Wolf dir noch mehr Ärger gemacht?«
» Seit ein paar Stunden nicht mehr.«
» Lass es mich wissen, wenn etwas passiert. Ich will mit der Ostküste so schnell wie möglich fertig sein.«
» Hab verstanden.«
Ich schaltete das Telefon aus, nahm den Akku heraus und warf ihn in einen Mülleimer am Ende des Korridors. Mit dem Telefon ging ich hinaus, brach es entzwei und warf die Teile in den Gully.
Ich kehrte zum Wagen zurück, startete den Motor und schaltete das Navigationssystem über der Mittelkonsole ein. Ich wollte absolut sicher sein, dass ich wusste, wohin ich fuhr. Nach ein paar Klicks hatte ich ein Satellitenbild von Atlantic City. Ich zoomte die Virginia Avenue heran, nahm dann ein neues Handy aus meiner Tasche und schaltete es ein. Als das Display weiß leuchtete, wählte ich die Nummer des Wolfs. Es klingelte einmal. Zweimal. Dreimal.
» Hallo?«
» Hallo?«, antwortete ich. » Wer ist da?«
Es war nicht der Wolf. Die Stimme am anderen Ende klang belegt und rasselnd. Die Verbindung war schlecht. Ich wartete darauf, dass sie besser wurde, aber das tat sie nicht. Ich hörte nur das Rauschen der Räder unter mir und das Grollen einer tiefen Männerstimme.
» Niemand. Wer zum Teufel sind Sie?«
» Der Ghostman. Ich will den Wolf sprechen.«
» Er will aber nicht mit dir sprechen. Wenn er dich findet, wird er höchstens alle deine Finger mit dem Hammer bearbeiten.«
» Glaub mir, er will mit mir sprechen.«
» Du bist eine wandelnde Leiche, weißt du das?«
» Ja. Aber eine sehr reiche Leiche.«
Pause.
Der Typ dachte nach und atmete schwer. Nach einer Weile hörte ich das Rascheln des Telefons, das über irgendeinen Stoff strich. Dann ging es mit einem scharfen Geräusch von einer Hand zur anderen, und jemand anders holte Luft.
» Was wollen Sie?«, fragte der Wolf.
» Ein Geschäft machen.«
VIERUNDVIERZIG
Einen Moment lang blieb es still. Ich hörte leise Stimmen im Hintergrund. Die Verbindung taugte immer noch nichts, und ich verstand kein Wort, aber es klang, als habe der Wolf die Hand auf die Muschel gelegt und rede mit einem oder zwei anderen, die bei ihm waren.
Dann war er wieder da. » Sie leiden offenbar an
Weitere Kostenlose Bücher