Ghostman: Thriller (German Edition)
japanischen Auto zu sterben.
Ich ging hinüber und trat so heftig gegen die Tür, dass das Schloss durch den Rahmen krachte. Die Tür brach praktisch aus den Angeln. Ich trat noch zweimal gegen das Sperrholz, und der ganze Mist fiel in sich zusammen.
Wie gesagt, es war einmal ein schönes Haus gewesen. An den Wänden hingen teure Blumenmustertapeten mit sattgrünen Blättern und reifen Früchten. Unter den Decken zog sich verschnörkelter Stuck entlang, Blütenranken, die sich in alle Richtungen schlängelten. Es war schön gearbeitet, aber die Wände waren dunkel und hatten braune Wasserflecken, und sämtliche Lampen waren kaputt. In eine Ecke hatte jemand mit Sprayfarbe geschrieben: Nichts ist stärker als die Sucht.
Drinnen war es dunkel und heiß und feucht und modrig. Dicker Staub schwebte in der Luft, und es dauerte eine Weile, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich legte den nächstbesten Lichtschalter um, aber nichts geschah.
Eine Spur von schwarz eingetrockneten Blutstropfen zog sich über den Teppich.
Kaum hatte ich das Blut gesehen, überfiel mich der Geruch– eine Mischung aus stinkendem Fisch, Fäkalien und Schießpulver. Zur Mitte des Hauses hin wurden die Blutstropfen zahlreicher. Sie führten durch einen kurzen Flur und vorbei an einem Wandschrank und am Badezimmer. Bald sah es so aus, als habe jemand einen langen schwarzen Pinselstrich über den Teppich gezogen.
Ribbons.
Seine Kalaschnikow lehnte am Türrahmen. Der Verschluss war mit Blut verklebt und mit Pulverrückständen überzogen. Noch andere Gegenstände säumten die Blutspur. Ein Latexhandschuh. Ein Magazin aus einer Colt 1911. Eine 7,62er Neununddreißig-Millimeter-Patrone. Eine schwarze Skimaske.
Ja, er war hier.
Und er lebte noch.
SECHSUNDVIERZIG
Als ich ihn fand, sah er aus wie eine Leiche, nicht wie ein Mensch. Seine Augen waren glasig, und er atmete flach. Seine Brust hob und senkte sich, aber das war das einzige Lebenszeichen. Seine Stimme war ein heiseres, trockenes Flüstern.
» Wasser.«
Er lehnte zusammengesackt an einer Wand im Wohnzimmer, umgeben von einer Blutlache. Die Kevlarweste und das Sweatshirt darunter waren blutgetränkt. Sein Gesicht war fahl, die Füße waren geschwollen. Er sah ganz friedlich aus– nur seine Augen nicht: Aus den Augenwinkeln rann grünlicher Eiter. Die Kugel hatte die Weste ungefähr eine Handbreit über dem Bauchnabel durchschlagen. Zwei andere waren nicht durchgedrungen und steckten fest in der Weste. Ich sah die zerquetschten Bleikrümel, die aus den keramischen Traumaplatten ragten. Ein langer Blutstreifen zog sich senkrecht über die Wand, wo er sich angelehnt hatte und dann in seine jetzige Position heruntergerutscht war. Das Blut war mittlerweile so alt, dass es sich allmählich schwarz färbte.
Die meisten Leute mit einem Schuss in die Brust halten keine fünfzehn Minuten durch. Die Salzsäure im Magen dringt normalerweise in die Blutbahn ein, und das verursacht eine Art Schock, der rasch zum Tode führt. Das Opfer fällt ins Koma und stirbt nach wenigen Minuten. Aber hier hatte die Kugel den Magen nicht erreicht. Die Weste hatte sie zu stark verlangsamt. Sie war in Ribbons’ Bauchfett stecken geblieben, ohne seine Eingeweide zu erreichen. Jetzt saß sie immer noch in seinem Oberbauch und bohrte sich mit jedem Atemzug ein Stückchen tiefer.
Vor zwanzig Stunden hätte ein Chirurg, ein sehr guter Chirurg, ihn vielleicht noch retten können. Jetzt nicht mehr. Sein Gesicht hatte bereits alle Farbe verloren. Die Schmiere in seinen Augen war ein Zeichen für eine Infektion. Das Geräusch in seiner Lunge ebenfalls. Er wartete jetzt nur noch auf den Tod.
» Cop?«, flüsterte er.
» Nein«, sagte ich. » Vater schickt mich.«
» Wasser. Bitte.«
Ich reagierte nicht, sondern blieb einfach stehen.
» Wasser.«
Ich schaute durch den Flur zurück. Ich sagte mir, ich suchte nach dem Geld, aber das war es nicht. Wenn das Geld im Flur gewesen wäre, hätte ich es schon gesehen.
» Bitte«, sagte er. » Wasser.«
Ribbons’ Gesicht war streifig von getrocknetem Blut, und seine Hände waren davon verkrustet. Seine Lippen waren trocken wie Sand. Er sah mir in die Augen, und sein Blick blieb fest. » Bitte, Mann«, sagte er.
» Wo hast du das Geld, Ribbons?«
» Bitte.«
» Zuerst brauche ich das Geld.«
Ribbons sagte nichts. Seine Finger zuckten, und er deutete durch den Flur. Ich drehte mich um und schaute durch den Flur, wohin sein Finger zeigte. Dann ging
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