Ghostman: Thriller (German Edition)
sie sah sehr teuer aus, und Marcus hatte alle Zimmer in diesem alten Backsteingebäude gebucht, das aussah, als wäre es vielleicht einmal eine Schule gewesen. Die Zimmer hatten richtige Schlüssel, nicht diese Plastikkarten, und die Toiletten waren am hinteren Ende des Gangs. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit. Als ich aus der Limo stieg, konnte ich nicht erkennen, ob Angela froh oder wütend war, mich zu sehen. Sie fasste mich am Arm und lächelte raffiniert wie immer, als sie mich durch die Lobby führte. Sie war unergründlich, eine Frau von der Sorte, die sich aus jeder Situation herausreden konnte, sogar aus ihren eigenen Gefühlen. Sie war eine Schauspielerin und eine Betrügerin und zehn Jahre älter als ich. Sie nannte mich gern Kid.
Wir gingen geradewegs in ihre Suite, ohne ein Wort zu sagen. Als die Tür zu war, fuhr sie mit den Fingern durch mein neues Haar und sagte, sie könne sich trotz aller Veränderungen noch an mein Gesicht erinnern. Wir hatten einmal miteinander geschlafen, als ich noch Frischfleisch im Bankgeschäft war und sie geldbesoffen nach einer Zero-Bond-Nummer, die fünfhunderttausend gebracht hatte. Es sei ihr Fehler gewesen, sagte sie. Jetzt saßen wir uns gegenüber und unterhielten uns eine Weile. Es war schwer, sich an ihre neue Stimme zu gewöhnen, aber sie roch noch wie früher. Nach Zigaretten und Passionsfrucht.
Der Abend kam, und Marcus ließ uns durch den Portier zur Feuerstelle hinausrufen. Er stellte sich nur mit diesem einen Namen vor. Marcus. Ich stand neben Angela und hörte mir seinen rätselhaften Vortrag an. Angela rauchte Kette wie nichts, flüsterte mir Informationen über die verschiedenen Bankraubspezialisten um uns herum ins Ohr und deutete mit der Glut ihrer Zigarette auf jeden Einzelnen im Kreis.
Ein gut gekleideter, hübscher Junge namens Alton Hill war der Wheelman, und das hieß, er würde den Fluchtwagen fahren. Er konnte mit allem, was Räder und einen Motor hatte, fahren. Dem Akzent nach kam er irgendwo aus Kalifornien. Seine Stimme hatte etwas Kratziges, das nicht so recht zu seinem geschniegelten Äußeren passte. Das Leder seiner Autohandschuhe war verschlissen, und er hörte nur mit halbem Ohr zu, als Marcus redete.
Der Typ neben ihm, Joe Landis, war ein Boxman. Ein Boxman öffnet keinen Safe, er knackt ihn. Der Safe überlebt dabei nur selten. Joe war ein schmächtiges Kerlchen mit großen Augen und einem kleinen Mund. Er kam irgendwo aus Texas, aber das hätte ich nicht gemerkt, wenn Angela es mir nicht gesagt hätte. Ein Boxman ist halb Computerprogrammierer, halb Sprengmeister. Es gibt immer noch ein paar Leute, die ein Kombinationsschloss nur mit den Ohren und den Fingerspitzen aufkriegen, doch die gehören zu einer aussterbenden Gattung. Heutzutage knackt man einen Safe mit einem Computer, einem Glasfaserkabel, einem Hochleistungsbohrer und einem selbstgemachten Nitroglyzerin, das » Suppe« heißt. Ein Amateur, der sich als Boxman versucht, kann taub sein, bevor er es richtig hinkriegt. Joe stand abseits für sich und vermied jeden Blickkontakt.
Die Nächste war eine Trickbetrügerin aus Festland-China namens Hsiu Mei. Sie hatte mehr Master-Diplome, als man an eine einzelne Wand hängen könnte, erzählte Angela mir, und tatsächlich hatte sie das zerknautsche Aussehen einer Akademikerin. Aber sie war schön. Ihre Haut war eierschalenbraun und ihr schwarzes Haar so weich, dass es aussah, als könnte ein starker Windstoß es wegwehen. Sie sprach ein halbes Dutzend Sprachen, und sie kritzelte etwas in ein Notizbuch. Sie war unsere Controllerin und Sprachenexpertin.
Dann kamen zwei Buttonmen namens Vincent und Mancini. Brüder, sagte Angela. Sie sahen nicht tough aus, aber das tut ein Buttonman selten. Er verdient seinen Lebensunterhalt damit, dass er Leuten wehtut. Die beiden hier waren zwei kleine Italiener, die diesen schmierigen mediterranen Look kultiviert hatten, die abscheulichsten grünen Schlipse trugen, die ich je gesehen hatte, und in der Körpersprache von Schlägertypen kommunizierten. Sie standen breitbeinig und mit verschränkten Armen vor dem Feuer. Vincent sprach, Mancini hörte zu.
Und dann waren da noch Angela und ich.
Es gibt keinen richtigen Namen für das, was wir tun, aber wir nannten uns Ghostmen. Angelas und mein Geschäft war das Verschwinden. Ich habe im Laufe der Jahre vielleicht hundert Bankräubern geholfen zu fliehen. Dabei geht es nicht nur um Verkleidungen und falsche Pässe und Führerscheine und
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