Ghostman: Thriller (German Edition)
Munition war russische Importware. Neun-Millimeter-Parabellum. Ich legte die Schachtel auf die Waffe. Das Bargeld auf dem Boden des Rucksacks war ausgebleicht und spröde von der Hitze. Ich blätterte es durch. Die Scheine waren alle ein paar Jahre alt. Ich zog einen heraus und befühlte das Papier. Bei Scheinen, die so alt aussehen, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass es sich um Blüten handelt. Kein Wasserzeichen. Kein Farbdruck. Kein Sicherheitsstreifen. Deshalb ändert die Notenbank das Design so oft. Die Fälscher bemühen sich, Schritt zu halten, aber sie brauchen jedes Mal ein paar Jahre, und inzwischen ändern sich die Scheine wieder. Bei diesen Scheinen hier bestände der Unterschied in dem mit Wasserzeichen versehenen Baumwollpapier. Echtes Geld wird aus einer einzigartigen Mischung aus Baumwoll- und Polyestermaterial gedruckt, die aus einer speziellen Fabrik im westlichen Massachusetts stammt. Dieses Material fühlt sich unverwechselbar weich und leicht gestärkt an, weil es technisch gesehen kein Papier ist. Fälschungen fühlen sich anders an. Ich rieb den Schein ein paarmal zwischen den Fingern und verglich ihn mit einem aus meiner Brieftasche. Ich bin kein Fachmann, aber für mich fühlte es sich an wie echtes Geld, ganz gleich, wie verdächtig es aussehen mochte.
Ich nahm das Feuerzeug und zündete den Schein an. Der Rand fing Feuer und wurde schwarz, und die orangegelbe Flamme brannte sich einwärts. Echtes Geld brennt mit orangegelber Flamme. Das ist einfach so. Falschgeld ist auf normalem Papier gedruckt, und das brennt hellrot. Ich schüttelte die Flamme aus und legte das Bündel neben die Munition. Das Geld war echt.
Als Nächstes nahm ich die Broschüren in die Hand. Die obere war ein Farbprospekt von einem großen, landesweit operierenden Immobilienmakler, der so oft aufgeblättert worden war, dass er beim Öffnen auseinanderfiel. Die andere enthielt ein paar Bilder von alten Häusern im viktorianischen Stil, aber nichts Konkretes. Zwischen den Seiten lag eine Quittung von einer Billigtankstelle unten in Ventnor: Dreißig Dollar bleifrei normal, aber das Datum war verwischt. Ich schaute die beiden Broschüren noch einmal kurz an und steckte sie dann wieder in den Rucksack. Da war nichts Brauchbares.
Ich öffnete den Beutel mit den Tabletten und schnupperte daran. Sie waren aus weißem Pulver gepresst, was bedeutete, dass sie aus einer Industrieproduktion kamen, aber das heißt wenig. Viele Drogen kommen aus Fabriken, sogar illegale. Es gibt ganze Industriekomplexe in Südamerika, die gefälschtes Oxycontin pressen. Aber diese Tabletten hier waren kein Oxy. Sie verströmten einen leichten Klinikgeruch wie ein gebohnerter Krankenhausboden. Vielleicht war es eine Art Speed, zum Beispiel Methamphetamin, aber genauso gut konnte es Aspirin sein. Nach allem, was ich wusste, hatte einer dieser Typen eine wirklich schlimme Migräne.
Schließlich nahm ich mir das Handy vor. Das Design war seit ein paar Jahren nicht mehr verbreitet. Ich drückte auf die grüne Taste, und offenbar war es aufgeladen, denn sofort leuchtete das Display auf. Eine Minute lang suchte ich nach gespeicherten Kontakten. Das Verzeichnis war leer. Ich rief die Liste der letzten Aktivitäten auf. Ein paar entgangene Anrufe mit unterdrückter Nummer, alle von heute Morgen, aber keine Nachricht in der Voicemail. Der einzige ausgehende Anruf war mehr als eine Woche alt. Eine New Yorker Vorwahl.
Ich stopfte alles wieder in den Rucksack, zog Alexander s Telefon heraus, schaltete es ein und wählte Marcus’ Nummer.
Es klingelte nur einmal. » Five Star Diner.«
» Ich muss ihn sprechen.«
» Wie bitte?«
» Er soll ans Telefon kommen, oder ich fahre zum Casino.«
» Moment.«
Ich verließ den Container und schloss die Tür hinter mir. Wenn den Rucksack niemand abholte, würde er dort bleiben, bis der Mietvertrag zu Ende wäre. Wahrscheinlich noch drei Monate. Ich fragte mich, was dann passieren würde. Die Polizei entdeckt ständig irgendwelche Waffenverstecke, aber nur selten per Zufall. Sie würden gelbes Flatterband um den Container spannen, und Männer in schwarzen Uniformen würden sich am Kopf kratzen. Ich überlegte, ob ich das Geld mitnehmen sollte, aber es lohnte sich nicht. Diese Fluchttasche gehörte jemandem. Vielleicht Moreno oder Ribbons. Oder sogar Marcus, wenn man bedachte, dass er den ganzen Kram wahrscheinlich bezahlt hatte. Es bestand immer noch die Chance, dass Ribbons wirklich aufkreuzte, auch wenn diese
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