Ghostman: Thriller (German Edition)

hätte er uns den Tresor gezeigt, doch war uns klar, dass es dazu nicht kommen würde. Ein Büromanager wie er hätte vielleicht nichts dagegen, aber ein Tresormanager würde ihn auf der Stelle abschießen. Wir würden nicht mal in die Nähe dieses Tresors kommen, wenn wir kein Konto hätten, und hier eins zu eröffnen wäre viel zu riskant. Angela dankte dem Mann, schloss den Koffer wieder an mein Handgelenk, nahm mich beim Arm und führte mich ruhig zur Tür. Sie sah enttäuscht und frustriert aus.
    Und das war nicht gespielt, wie sich herausstellen sollte.
    Im Aufzug drückte Angela auf den Knopf, der die Tür schloss. Dann ging sie in der Kabine umher und betrachtete aufmerksam die Lampen. Natürlich waren hier versteckte Kameras, aber keine Mikrofone. In den meisten Aufzügen gibt es keine Audio-Überwachung, aber sie vergewisserte sich trotzdem. Als sie sicher war, dass wir nicht abgehört wurden, lehnte sie sich gegen die Messingstange an der Rückwand und flüsterte mir ins Ohr: » Diese Bank ist eine gottverdammte Todesfalle.«
    » Ich bin entzückt«, sagte ich. » Hast du den Tresor gesehen?«
    » Der Tresor ist ein Diebold Class II mit einem zeitgesteuerten Sechsaugen-Verzögerungsschloss. Das bedeutet, dass drei Mitarbeiter gleichzeitig drei verschiedene Codes eingeben müssen, die nur sie kennen, und zwar zu bestimmten Tageszeiten, die ebenfalls nur ihnen bekannt sind. Und wenn sie das tun, öffnet der Tresor sich nicht sofort, sondern ein Timer wird gestartet, der das Schloss eine halbe Stunde später freigibt. Jawohl, ich habe das Scheißding gesehen.«
    » Es wird mir einen Riesenspaß machen, in das Ding hineinzuspazieren.«
    » Nein, wird es nicht, denn wir lassen die Sache bleiben. Als ob der Tresor das einzige Problem wäre– wenn wir das Geld haben, sind wir nur einen Block weit von der nächsten Polizeiwache und fünf Minuten von der Zentrale der Anti-Terror-Einheit entfernt. Das bedeutet Hubschrauber und Spezialeinsatzkommandos. Männer in schwarzen Masken und Panzerwesten werden sich zu uns abseilen, genau wie im Kino. Wir werden Handschellen tragen, bevor wir diese Tresortür auch nur anfassen können. Oder wir sind tot.«
    » Hast du gedacht, mehr als siebzehn Millionen Dollar zu stehlen ist einfach?«
    » Ich habe gedacht, man kann es überleben. Aber das hier überleben wir nicht.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    » Wir sollten diesen Job bleiben lassen«, sagte Angela. » Verschwinden. Nach Prag fliegen. Eine Suite im Boscolo mieten und einen Monat dableiben.«
    » Das macht doch keinen Spaß.«
    » Ich tue das hier nicht, weil es Spaß macht«, sagte Angela. » Ich will reich werden und ein normales Leben führen.«
    » Weißt du, wie sehr das normale Leben mich langweilt?«, sagte ich. » Ich lebe für Herausforderungen wie die hier.«
    » Wir werden dabei draufgehen.«
    Ich schüttelte wieder den Kopf. » Dann soll es so sein.«

ACHTUNDZWANZIG
    Atlantic City
    Eine Zeitlang fuhr ich schweigend vor mich hin, und auf halbem Wege nach Hammonton sah ich meinen leeren Suburban am Straßenrand stehen. Zum Glück hatte die State Police ihn noch nicht entdeckt und abschleppen lassen. Als ich dahinter anhielt, hörte ich ein einzelnes Auto in der Gegenrichtung vorbeifahren. Zu dieser Nachtzeit war der Highway leer.
    Angela sagte immer, sie habe eine Liste mit Regeln für das Überleben als Ghostman. Nur drei davon hat sie nie gebrochen und nie geändert. Ich nannte sie immer die Großen Drei, als wären sie ein heiliger Katechismus, den uns Gott selbst heruntergereicht hatte. Regel eins: Töte niemals, wenn du es vermeiden kannst. Regel zwei: Vertraue niemandem, wenn es nicht sein muss. Regel drei: Mache niemals einen Deal mit den Cops.
    Nummer drei war rein praktisch begründet. Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, Verbrecher entkommen zu lassen. Ganz gleich, wie korrupt ein Polizist sein mag, er hat einen Eid geschworen, die Bevölkerung und die Gesetze seines Reviers zu beschützen und ihnen zu dienen. Und ein Eid ist ein Eid. Es gibt keinen Deal mit jemandem, der geschworen hat, dich zur Strecke zu bringen. Einfach ausgedrückt: Die Polizei ist dein Feind, und kein Reden, kein Geld und keine Drogen werden daran etwas ändern. Aber der Cop ist nicht immer das größte Problem.
    Manchmal sind es die Jungs in deiner Truppe.
    Es gibt ein Wort für einen Gangster, der mit der Polizei redet. Mehrere sogar: Informant, Singvogel, Spitzel, Ratte. In manchen Teilen der Welt brauchst du einem