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Ghostman: Thriller (German Edition)

Ghostman: Thriller (German Edition)

Titel: Ghostman: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Hobbs
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noch. Harrison zu erschießen war richtig gewesen.
    Aber das war nicht mein Fehler.
    Mein Fehler war es, mich nicht zu vergewissern, dass er tot war.

ACHTUNDDREISSIG
    Atlantic City
    Das Wrack des Mercedes sah nicht weiter bemerkenswert aus– ein verbeulter Haufen von dampfendem Blech mit eingedrücktem Dach, der ein paar Meter weit draußen in der Brandung lag. Wenn der bittere, beißende Geruch von Motoröl und verbranntem Gummi nicht gewesen wäre, hätte man kaum sagen können, wie lange der Wagen schon dort lag. Er begann bereits auszusehen wie ein Teil des Strandes. Der schmale Sandstreifen zwischen Straße und Brandung war übersät von großen Steinen und unwirtlichem Müll. Colaflaschen. Zigarettenschachteln. Plastiktüten. Die Wellen brachen sich an dem verunglückten Wagen und ließen weiße Gischt und Treibgut durch die Luft fliegen.
    Ich beschirmte meine Augen mit der flachen Hand vor dem Gleißen des Meeres und betrachtete das Panorama. Mein Blick folgte der dünnen Linie des Horizonts von den Seebrücken des fernen Boardwalk bis zu der dunstverschleierten Küste weiter oben im Norden. Schon lange war an diesem Strand niemand mehr zu Fuß unterwegs gewesen. Ich schmeckte das Salz der Gischt. Wenn ich wollte, könnte ich jetzt einfach wegfahren. Wenn der Fahrer nicht wieder zu sich käme, könnte es Tage dauern, bevor jemand über das Wrack stolperte.
    Aber der Mann in dem Mercedes kam zu sich. Und fing an zu schreien.
    Nicht so, wie man es sich vielleicht vorstellt. Dazu hatte er nicht genug Luft. Das Geräusch klang eher wie ein verzweifeltes Gurgeln. Der Wagen war auf dem Dach gelandet, und der Kopf des Fahrers steckte im Wasser. Jede Brandungswelle überflutete das Wageninnere. Er schrie, weil er keine Luft bekam. Wenn ich ihn sich selbst überließe, würde er in wenigen Augenblicken ertrinken.
    Langsam stieg ich die Böschung hinunter und watete ins Wasser. Die Fahrertür klemmte, und ich musste mich mit einem Fuß gegen die Karosserie stemmen. Den anderen Fuß bohrte ich fest in den Sand, und dann zog ich am Türgriff. Die Tür öffnete sich halb und blieb dann im Sand stecken.
    Der Mann war fast bewusstlos. Er hing kopfüber im Sicherheitsgurt, der ihn daran hinderte, den Kopf aus dem Wasser zu heben. Ich langte durch die Tür hinein und öffnete den Gurt. Er sackte über das Lenkrad und fing an zu zappeln wie ein Fisch an der Angel. Ich packte ihn beim Kragen und zog seinen Kopf aus dem Wasser. Aus einer Schnittwunde am linken Auge lief Blut über sein Gesicht. Irgendwelches Glas war gesplittert und hatte ihn übel zerschnitten. Vermutlich hatte er den Knöchel gebrochen, denn der Fuß klemmte in einem unnatürlichen Winkel zwischen Gaspedal und Bodenmatte. Ich packte ihn fester und schleifte ihn durch die Brandung auf den Strand.
    Dann sah ich die Kanone.
    Er hatte eine Neun-Millimeter-Beretta mit Schalldämpfer unter der Jacke. Kaum hatte ich ihn losgelassen, wollte er danach greifen. Er riss den Arm im weiten Bogen hoch und umfasste den Kolben, der aus dem Schulterhalfter ragte, aber er bekam die Waffe nicht heraus. Mit dem sechszölligen Schalldämpfer war sie ein bisschen zu lang, um sie zu ziehen, wenn man auf dem Rücken lag.
    Ich schlug ihm mit beiden Fäusten in den Solarplexus. Seine Arme wurden zu Gelee, und er schnappte nach Luft und krümmte sich. Die Pistole rutschte heraus und fiel zu Boden. Ich stieß sie mit dem Fuß zur Seite. Er warf sich herum und wollte noch einmal danach greifen, und ich stampfte auf den gebrochenen Knöchel.
    Er gab eine Art Urschrei von sich.
    Ich ging um ihn herum, hob die Beretta vom Sandboden auf, hielt sie neben sein Gesicht und gab einen Schuss ab. Es klang wie ein Peitschenknall, und mit einem leisen Ka-tschuck fuhr der Schlitten zurück und ließ die leere Messinghülse herausfliegen.
    Der Mann hörte auf, sich zu wehren. Er fiel wieder auf den Rücken und wand sich vor Schmerzen, und er hustete und hustete, bis Salzwasser und blutiger Speichel blasig aus dem Mund quollen und er wieder Luft bekam. Aber sprechen konnte er nicht. Anscheinend hatte eine Glasscherbe seine Zunge in der Mitte durchgeschnitten. Schaumiges Blut lief aus seinem Mundwinkel und über die Lippen.
    Der Mann, den der Wolf mir geschickt hatte, war ein großer, kräftiger Weißer von unauffälligem Äußeren. Er sah nicht aus wie ein tough guy. Schön, er trug eine Lederjacke, aber die hellen, babyblauen Augen und das runde Gesicht gehörten einem Mann, der innerlich weich war.

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