Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
versuchte, im Dunkeln die Verletzung zu finden. In Höhe der Rippen war das Fell feucht, und im Licht des Mondes konnte sie das Blut an ihren Fingern erkennen. Es sah schlimm aus. Wenn die Kugel in den Brustkorb eingedrungen war, hatte sie keinerlei Möglichkeit, Angus zu retten. Bis sie in eine Stadt käme, in der es einen Tierarzt gab, wäre er verblutet. Und in dem schwachen Licht konnte sie nicht erkennen, wo und wie schwer er verletzt war.
Marisa sah auf, als nackte Beine in ihr Blickfeld kamen. Langsam hob sie den Kopf und folgte dem Verlauf des gut gebauten Körpers, bis sie beim Gesicht ankam. Schwarze lange Haare, finstere Miene, sie kannte ihn, aber wie war noch sein Name … Torik, genau, so hieß er. Amber hatte ihn ihr bei der Versammlung gezeigt. Ohne eine offensichtliche Gefühlsregung blickte er mit seinen dunklen Augen auf sie herunter. Immerhin war von dem Blut nichts mehr in seinem Gesicht zu sehen. Marisa bemühte sich um ein Lächeln, doch es wollte ihr nicht gelingen. „Danke für deine Hilfe.“
Torik neigte den Kopf, eine Geste, die sie an Coyle erinnerte.
„Ist er …?“ Sie deutete auf den still daliegenden Anführer.
„Er hat bekommen, was er verdient hat.“ Selbst seine tiefe Stimme klang irgendwie … tot. „Was ist mit dem … Hund?“ Der Widerwillen, mit dem er das Wort aussprach, war offensichtlich.
„Angus ist dazwischengesprungen, als der Verbrecher auf mich geschossen hat. Er …“ Ihre Stimme versagte, sie brachte keinen Ton mehr hervor.
„Ein mutiger Kerl.“ Torik sah aus, als wollte er noch etwas sagen, doch dann blickte er an ihr vorbei. Etwas wie Erleichterung huschte kurz über sein Gesicht, bevor es wieder ausdruckslos wurde. „Coyle kommt. Er wird sich um euch kümmern.“
Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er sich schon zurückverwandelt und tauchte im Wald unter. Ein Prickeln im Nacken zeigte ihr, dass sich jemand von dort näherte. Rasch drehte sie sich um und sah Coyle zwischen den Bäumen hindurch auf sie zukommen.
Obwohl er noch in Berglöwenform war, erkannte sie ihn sofort. Innerhalb von Sekunden war er bei ihr und sah aus, als würde er jeden in Stücke reißen, der ihr etwas tun wollte. Erst nachdem er sichergestellt hatte, dass der Mann keine Gefahr mehr darstellte, wandte er sich zu Marisa um und stieß sie mit seiner Schnauze an. Mit einem erleichterten Schluchzer schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und vergrub ihr Gesicht in seinem Fell. Für einen Moment gönnte sie sich den Luxus, alles andere um sich herum zu vergessen, doch viel zu schnell drang die Wirklichkeit wieder in ihr Bewusstsein.
„Angus ist verletzt, aber ich weiß nicht wie schwer. Der Anführer wollte mich erschießen und er hat sich dazwischengeworfen. Wenn er meinetwegen stirbt …“ Wieder zog sich ihre Kehle zusammen, und die Worte verließen sie.
Noch einmal presste Coyle sich beruhigend an sie, dann beugte er sich zu Angus hinunter und untersuchte mit seiner Schnauze die Wunde. Schließlich sah er zu ihr hoch und begann, über Angus’ Brustkorb zu lecken. Gleichzeitig fasziniert, angeekelt und erleichtert beobachtete Marisa ihn dabei, während sie Angus festhielt, damit er sich nicht bewegte. Wenn Coyle glaubte, dass das Lecken etwas bewirken würde, dann war die Verletzung vielleicht doch nicht so schlimm. Hoffentlich wirkte es bei einem Hund genauso wie bei Menschen.
Schließlich hob Coyle den Kopf und verwandelte sich. Sein Gesicht war verzerrt. „Hast du Wasser? Hunde schmecken einfach ekelhaft.“
Überrascht begann Marisa zu lachen und hatte Mühe, sich wieder zu beruhigen. Wahrscheinlich war die Anspannung der vergangenen Stunden zu viel für sie gewesen.
Coyle verzog den Mund. „Das war kein Scherz.“
Immer noch kichernd holte Marisa den Rucksack hervor und zog eine Wasserflasche heraus. Sie drehte den Verschluss ab und hielt sie Coyle hin. „Hier.“
Nachdem er sich den Mund ausgespült hatte, trank er gierig einige Schlucke und gab ihr dann die Flasche zurück. „Danke. Was ist passiert? Wie hat dieser Kerl“, er deutete auf den reglosen Anführer, „dich gefunden? Und wie …?“
Marisa hob die Hand. „Würde es dir etwas ausmachen, mich erst einmal zu umarmen? Ich könnte gerade ein wenig Nähe gebrauchen.“ Ein Lächeln umspielte Coyles Mundwinkel, als er aufstand, ihr hochhalf und sie in seine Arme schloss. Tief atmete sie seinen männlichen Duft ein und ließ ihre Hände über seinen Rücken gleiten. „Ich bin so froh, dass du
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