Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
wissen.“
Coyles Miene veränderte sich nicht. „Sag mir, wer alles dabei war.“
Harmon zählte etliche Namen auf, die Marisa nichts sagten, doch dann erkannte sie einen. „Melvin? Hieß so nicht der junge Mann, der mich auf der Versammlung angegriffen hat und danach früher gegangen ist?“
Finn und Coyle sahen erst sich an, dann Marisa. „Das stimmt. Es schadet sicher nicht, ihn zu befragen, fangen wir mit ihm an.“ Coyle wandte sich wieder an Harmon. „Wenn dir noch irgendetwas einfällt, sag mir oder Finn Bescheid. Und wenn du deine Kumpane warnst, werde ich es erfahren und dich zur Verantwortung ziehen, verstanden?“
Harmon neigte den Kopf und zog sich rasch zurück, bevor Coyle es sich noch einmal anders überlegen konnte.
„Ich suche Melvin.“ Finn wartete nicht auf Coyles Antwort.
Marisa sah ihm nach. „Glaubst du, es könnte so einfach sein? Nur weil er mich nicht mag, heißt das nicht, dass er euch verraten würde. Warum sollte er so etwas tun?“
Coyle rieb über sein Gesicht. „Ich weiß es nicht. Aber Melvin war in letzter Zeit sehr in sich zurückgezogen, hat sich von allen ferngehalten.“
„Lebt sein Vater noch?“
„Ja, aber sie haben keinen Kontakt. Melvin lehnt ihn seit einem Streit ab, bei dem es darum ging, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben ist.“
„Wann war das?“
„Vor einigen Jahren, da war er vierzehn. Er hat seitdem nicht mehr mit seinem Vater geredet, und irgendwann waren die Spannungen so stark, dass sein Vater das Lager verließ. Er lebt jetzt als Einzelgänger. Melvins Großeltern haben ihn danach aufgezogen.“
Das arme Kind. Der arme Vater. Marisa konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, mit solchem Groll aufzuwachsen. „Aber es schien mir, als würde er Menschen generell ablehnen. Warum sollte er das tun, wenn er doch so um den Verlust seiner Mutter trauert und eigentlich ein Problem mit seinem Wandlervater hat?“
Coyle hob die Schultern. „Ich habe keine Ahnung, was in Melvins Kopf vor sich geht. Mir kam es immer so vor, als würde er niemanden mögen, egal, welche Spezies oder welches Geschlecht. Aber ich muss gestehen, ich habe mich nicht so viel um ihn gekümmert, wie ich es vielleicht hätte tun sollen.“
Marisa stützte ihre Fäuste in die Hüften. „Warum denkst du immer, du müsstest dich um jeden Einzelnen kümmern? Das könntest du gar nicht, selbst wenn du es wolltest.“
„Das denke ich gar nicht.“
„Oh doch, das tust du. Genau das Gleiche hast du über Bowen gesagt. Und immer wenn du über die Gruppe sprichst, klingt es, als wärest du ihr Anführer, der für alle sorgen muss.“ Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und senkte die Stimme. „Ich bewundere wirklich, wie verantwortungsbewusst du bist, aber du bist nicht allein, und es ist auch nicht deine Aufgabe, dich um alles zu kümmern. Das kann kein Mensch, auch du nicht.“
Vermutlich würde Coyle ihr gleich sagen, dass sie das gar nichts anging, aber Marisa konnte sich nicht heraushalten, wenn sie sah, wie er sich an dieser selbstauferlegten Verantwortung aufrieb.
Coyle ließ seinen Blick über das Lager schweifen, bevor er wieder auf sie herunterblickte. „Du hast recht. Es ist wie ein Reflex. Immer wenn irgendetwas geschieht, fühle ich mich dafür verantwortlich und versuche, das Problem zu lösen.“ Sein Mundwinkel bog sich nach unten. „Was mir in letzter Zeit immer weniger gelingt.“
„Weil es überhaupt nicht möglich ist, dass du über alles die Kontrolle hast!“
„Ja, vermutlich.“
Marisa unterdrückte den Impuls, die Augen zu verdrehen. „Was hält denn dieser Rat, den du vorhin erwähnt hast, davon, dass du dich ständig in seine Arbeit einmischst?“
Diesmal lächelte er sie an. „Da ich Teil des Rats bin, finden sie das völlig in Ordnung.“
„Was? Aber ich dachte …“
Coyle unterbrach sie. „Später. Zuerst möchte ich hören, was Melvin zu sagen hat.“
Marisa drehte sich um und erkannte Finn, der sich mit dem jungen Mann im Schlepptau näherte. Finns Gesichtsausdruck war furchterregend, kein Wunder, dass Melvin so aussah, als würde er jeden Moment vor Angst zusammenbrechen. Oder es war das schlechte Gewissen, das ihn plagte, wenn er tatsächlich seine eigenen Leute verraten hatte.
Sowie er Marisa sah, veränderte sich seine Miene. Hasserfüllt machte er einen Schritt auf sie zu. „Ich hätte mir denken können, dass du dahintersteckst! Kommst einfach reinmarschiert, treibst es mit Coyle und denkst, damit würdest
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