Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
überdeckten, ließ Coyle Marisas Hand keine Sekunde los. Er wusste, dass sie es nicht gewöhnt war, im Dunkeln durch den Wald zu laufen, und dass ihre Sicht stark eingeschränkt war. Um nicht zu sagen, sie war vermutlich blind wie ein Maulwurf, wenn er ihre lautlosen Flüche richtig deutete. Trotz der ernsten Situation musste er grinsen. Zu schade, dass er ihr nicht in Ruhe das Leben im Wald näherbringen konnte, es würde sicher Spaß machen. Rasch schüttelte er den Gedanken ab. Jetzt war keine Zeit, der seltsamen Anziehung nachzugeben, die Marisa auf ihn ausübte, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Und nicht nur das. Es war auch gefährlich, zu einem anderen Zeitpunkt etwas mit ihr anzufangen. Er sollte sich immer vor Augen halten, was passierte, wenn sie Kontakte außerhalb ihrer Gruppe unterhielten. Bowen war ein lebhaftes Beispiel dafür.
Konsequent unterdrückte Coyle das Schuldgefühl, den Jugendlichen im Stich gelassen zu haben. Es war wichtiger, den Verfolgern zu entkommen, denn wenn sie ihn auch töteten, wäre Bowen unwiderruflich verloren. Und am Ende auch seine Familie und Freunde. Das konnte er nicht zulassen, egal, was es ihn kostete.
Die Zähne fest zusammengebissen beschleunigte er seinen Schritt. Marisa stolperte hinter ihm her, protestierte aber nicht. Coyle ignorierte die Wärme, die sie in ihm auslöste, und konzentrierte sich nur noch darauf, den Stockton Creek zu finden, der sich ein paar hundert Meter hinter Marisas Haus entlangschlängelte. Wenn sie Glück hatten, könnten sie dort ihre Verfolger abschütteln oder zumindest soweit irritieren, dass sie einen kleinen Vorsprung gewannen. Und sie würden jeden Vorteil brauchen, denn die Mörder waren wesentlich schneller als er und vor allem als Marisa.
Grimmig bahnte er sich einen Weg durch das Unterholz, bis er das Ufer erreichte. Silbern glitzerte das Mondlicht auf dem schmalen Band des Flusses etwa einen Meter unter ihm. Für einen kurzen Moment zögerte Coyle, dann lief er zielstrebig in das kalte Wasser. Hinter sich hörte er einen unterdrückten Aufschrei und ein plätscherndes Geräusch. Rasch wandte er sich zu Marisa, der das Wasser bis zum Bauch ging.
Sie funkelte ihn wütend an. „Eine kleine Warnung wäre nett gewesen!“ Glücklicherweise hielt sie ihre Stimme leise.
Ein unfreiwilliges Grinsen spielte um seine Mundwinkel. Sie sah einfach zum Anbeißen aus, so nass und wütend. Da er ahnte, dass sie die Komik der Situation nicht zu schätzen wusste, bemühte er sich, ein entschuldigendes Gesicht aufzusetzen. „Tut mir leid, ich hatte vergessen, dass du nicht so gut siehst.“
„Was vor allem daran liegt, dass ich ständig nur dein breites Kreuz im Blickfeld habe.“
Coyle unterdrückte rasch ein zufriedenes Schnurren tief in seiner Kehle. Dafür war jetzt keine Zeit, und vor allem konnte er sich keine Ablenkung leisten. Wenn sie in Sicherheit waren, würde er noch genug Gelegenheit dazu haben. Er drückte sanft ihre Hand. „Lass uns weitergehen, vielleicht können wir im Fluss unsere Spur verwischen.“
Marisa nickte knapp und setzte sich hinter ihm in Bewegung. Nachdem sie sich auf die Strömung eingestellt hatte, ließ auch das verräterische Plätschern nach. Lautlos schoben sie sich vorwärts, immer darauf bedacht, nicht auf den glitschigen Steinen auf dem Grund des Flusses auszurutschen. Als Coyle glaubte, den Verfolgern die Aufgabe ausreichend erschwert zu haben, führte er Marisa zum gegenüberliegenden Ufer und kletterte die Böschung hinauf. Oben angekommen streckte er ihr die Hand entgegen und half ihr beim Aufstieg. Erschöpft sank sie unter den Bäumen auf den Boden und atmete keuchend ein und aus.
Schließlich sah sie zu ihm auf. „Ich hoffe wirklich, das war der einzige Fluss – wo auch immer wir hingehen.“
„Magst du kein Wasser?“
Marisa verzog das Gesicht. „Nur in meiner Dusche. Und ein nächtliches Bad im Fluss ist nicht gerade meine Vorstellung von Spaß.“
Coyle unterdrückte ein Lachen. Wieder eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen. „Das kann ich verstehen.“ Er sah dorthin zurück, wo sie hergekommen waren. „Wir müssen weiter.“
„Ich dachte, wir hätten sie durch unser Bad abgehängt.“
„Vielleicht kurzzeitig, aber wenn sie gut sind, werden sie unsere Spur bald wieder finden. Ich möchte nicht riskieren, dann noch hier zu sein.“
Marisa nickte unglücklich. „Wo gehen wir überhaupt hin?“
„Am besten versuchen wir, einen Bogen zur Stadt zu schlagen. Wenn uns das
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