Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
Schleier vor ihren Augen sah sie sich im Büro um, doch ihr Vater war nicht da. Sie wollte sich gerade wieder umdrehen, um ihn woanders zu suchen, als ein gewaltiger Schmerz sie in die Knie sacken ließ. Mit einem Stöhnen vergrub sie ihren Kopf unter ihren Armen und presste ihre Stirn auf den Boden, doch auch das half nicht. Im Gegenteil, es schien eher schlimmer zu werden. Wenn das überhaupt möglich war.
Mühsam kam Isabel wieder auf die Füße und blieb schließlich schwankend stehen. Jeder Knochen in ihrem Körper schien wehzutun, selbst das Atmen bereitete ihr Schwierigkeiten. Als sie es nicht mehr aushielt, still zu stehen, bewegte sie sich so schnell sie konnte in Richtung Tür, blieb jedoch kurz darauf mit einem Ruck wieder stehen. Die Schmerzen waren plötzlich verschwunden, ohne Vorwarnung, so als wären sie nie da gewesen.
Ungläubig sah Isabel sich um. Was war gerade passiert? Vor wenigen Sekunden noch konnte sie sich kaum bewegen, und jetzt fühlte sie sich ganz normal. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Wie konnte das sein? Sie richtete sich gerader auf und drehte vorsichtig den Kopf. Nichts.
Doch dann hörte sie ein seltsames Knarren, das ihr wieder bewusst machte, dass sie sich im Büro ihres Vaters befand und keine Lust hatte, ihm zu erklären, was sie hier tat, wenn er sie erwischte. Rasch wirbelte sie herum und lief zur Tür. Sie schlüpfte hinaus und zog die Tür langsam hinter sich zu, damit sie nicht quietschte. Durch den Spalt sah sie gerade noch, wie ein Teil der Wand hinter dem Schreibtisch aufschwang und ihr Vater heraustrat. Lautlos ließ sie die Tür ins Schloss fallen und rannte in die Küche. Ihr Herz schlug bis zum Hals, als ihr klar wurde, wie nah sie daran gewesen war, von Henry erwischt zu werden. Schlimmer allerdings war die Gewissheit, dass tatsächlich irgendetwas vorging, das ihr Vater vor ihr verbergen wollte.
Mit zitternden Beinen ließ Isabel sich auf den Küchenstuhl sinken. Der Migräneanfall machte ihr Angst. So schlimm war es bisher nur bei einem Schulausflug im Zoo gewesen. Sie war direkt vor den Käfigen mit Raubkatzen in Ohnmacht gefallen. Ihr Körper hatte einfach abgeschaltet, nachdem die Schmerzen unerträglich geworden waren. Isabel setzte sich gerader auf. Auch dort waren die Schmerzen schlagartig verschwunden, aber erst nachdem sie aus dem Zoo gebracht worden war. Was geschah nur mit ihr?
Bowen schlug die Augen auf, als er hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Er war alleine. Mühsam unterdrückte er den Drang, an seinem Körper herunterzublicken, um festzustellen, welche Wunden er diesmal davongetragen hatte. Wenn er sie nicht sah, konnte er die Schmerzen besser ignorieren und dachte nicht daran, sie zu lecken, um sie schneller heilen zu lassen. Wahrscheinlich war es genau das, was der Folterer wollte: ihn dazu bringen, alles um sich herum zu vergessen und seinen Instinkten zu folgen. Irgendwann würde er Erfolg haben, wenn es Bowen nicht gelang zu entkommen. Doch so sehr er auch nach Möglichkeiten zur Flucht suchte, es schien keine zu geben. Selbst wenn es ihm gelänge, sich von den Fesseln zu befreien, würde er die Tür nicht öffnen können. Und er hatte den Verdacht, dass der Entführer jedes Mal durch die Kamera über der Tür kontrollierte, ob sein Gefangener noch gefesselt war. Er konnte ihn höchstens überwältigen, während er sich hier im Raum befand, aber die Frage war, ob er in seinem durch Hunger und Blutverlust geschwächten Zustand die Verwandlung schnell genug vollziehen konnte. Wenn er scheiterte, hätte der Folterer sein Ziel erreicht: den mit der Kamera aufgezeichneten Beweis.
Bowen atmete tief ein und erstarrte. Über seinem eigenen Geruch und denen der Geräte, Medikamente und Putzmittel um ihn herum lag der Hauch von etwas anderem. Es konnte nicht von dem Mann kommen, er roch eindeutig anders. Nein, es war etwas Unerwartetes, ein leicht süßlicher frischer Duft, der sich über ihn legte wie Balsam. Weiblich . Der Geruch war neu, er hatte ihn noch nicht wahrgenommen, seit er hier lag. War eine Frau gekommen und Henry deshalb so nervös? Er hatte heute mehrmals die Folterungen unterbrochen und den Raum überstürzt verlassen. Wenn es so war, konnte er das irgendwie zu seinem Vorteil nutzen? Natürlich konnte es sein, dass die Frau eingeweiht war und kein Problem damit hatte, dass hier jemand gefoltert wurde, aber was, wenn nicht? Noch einmal schnupperte er und schloss dann die Augen. Nein, es roch nach Unschuld und
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