Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
Brustkorb zu klopfen. Wie konnten sie so etwas über Ryan sagen? Vor allem, warum sagten sie „war“? Die Ärzte hatten Ryan doch mit ins Krankenhaus genommen, es musste ihm gut gehen. Furcht rann eisig durch ihren Körper. Sie wollte etwas sagen, sich rechtfertigen und vor allem fragen, was mit Ryan passiert war, doch das konnte sie nicht. Stattdessen lauschte sie weiter.
„Die Polizei vermutet, dass es ein Einbrecher war, den dieser Thorne überrascht hat, und dafür hat der ihn fast tot geprügelt.“
„Woher weißt du das? Ist das schon offiziell?“
Der erste Sprecher lachte. „Ein Freund arbeitet bei der Polizei. Als ich ihm erzählte, dass die Leopardin hier im Veterinäramt ist, hat er sich ein wenig umgehört.“
„Fast tot“ hieß doch, dass Ryan noch lebte, oder nicht? Oh, bitte … Aber immerhin war der Polizei inzwischen bewusst, dass sie nur für die Verletzungen des Einbrechers verantwortlich war und nicht auch noch für Ryans. Es musste doch auch etwas zählen, dass sie aus Notwehr gehandelt und Ryan so vermutlich gerettet hatte, oder? Sie war sich ziemlich sicher, dass er in ihrem Sinne mit der Polizei sprechen und sie verschont werden würde. Allerdings ging das nur, wenn Ryan schon in der Lage war zu sprechen. Die Prellung an seiner Schläfe hatte gefährlich ausgesehen.
Sie hörte, wie einer der Männer auf sie zukam und dicht vor ihr stehen blieb. „Zu schade, so ein schönes und seltenes Tier sieht man hier selten.“
„Bist du sicher, dass sie getötet werden soll?“
Was? Kaindas Herz begann zu hämmern, das Blut rauschte in ihren Ohren, sodass sie kaum verstand, was weiter gesagt wurde.
„… Entscheidung des Veterinäramtes. Die Leopardin ist eine Gefahr für die Gesellschaft. Wenn sie einmal einen Menschen angefallen hat, kann sie das wieder tun.“
Kainda wollte dagegen protestieren, doch sie konnte es nicht. Wenn sie sich jetzt verwandelte, würde sie vielleicht nicht getötet werden, aber dafür würde sie den Rest ihres Lebens nicht mehr frei sein. Das wäre schlimmer als der Tod. Außerdem musste sie an Jamila denken und auch an die anderen Wandler. Wenn sie der Welt zeigte, dass Wesen wie sie existierten, würden sie gejagt werden, bis sie nicht mehr weiterkonnten. Nein, auch wenn sie dafür sterben musste, sie musste ihr Geheimnis bewahren.
Der Schmerz, ihre Schwester nie wieder zu sehen, nahm ihr den Atem. Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie Jamila zur Welt gekommen war, dabei war sie selbst damals auch erst zwei Jahre alt gewesen. Ihre Eltern waren so glücklich gewesen, ihre Familie endlich komplett. Seit sie laufen konnte, war Jamila ihr dann nie wieder von der Seite gewichen, und auch im Geiste waren sie enger verbunden, als Kainda es je von anderen Wandlern gehört hatte. Warum das so war, hatten sie nie herausgefunden, es war ein Geschenk.
Aber vielleicht hatte sie ja noch Gelegenheit zu fliehen, wenn die beiden Männer weg waren. Wenn niemand wusste, dass sie in der Lage war, Riegel aufzuschieben und Türen zu öffnen, würde sie nicht so streng bewacht werden. Kainda versuchte erneut, die Augen zu öffnen, und diesmal klappte es. Ihr Blick war seltsam verschwommen, aber immerhin konnte sie schon Umrisse wahrnehmen. Wenn sie jetzt noch den Rest ihres Körpers dazu brachte zu kooperieren, konnte sie …
„Tom, sie wacht auf!“
Jemand trat in ihr Sichtfeld und beugte sich herunter. „Tatsächlich. Gib ihr noch ’ne Dosis.“
Während Kainda noch zu verstehen versuchte, was das bedeuten sollte, spürte sie einen Stich an ihrem Hinterteil. Sekunden später begann es zu kribbeln. Nein! Sie wollte wenigstens wach sein, wenn es geschah, selbst wenn sie keinen Ausweg mehr fand. Sie wollte Ryan noch einmal sehen, seine warme Stimme hören und seine Finger in ihrem Fell spüren. Doch sie wusste, dass sie keine Gelegenheit dazu haben würde. Sie würde nicht noch einmal aufwachen, bevor sie starb. Für einen winzigen Moment überlegte sie, ob die Menschen wohl recht hatten, wenn sie daran glaubten, im Tode wieder mit ihren Lieben vereint zu sein. Es wäre schön, ihre Familie wiederzusehen, aber wenn das bedeutete, Jamila und auch Ryan verlassen zu müssen, würde sie damit lieber noch etwas warten. Doch die Schwärze rückte immer näher.
Leb wohl, Jamila. Ich liebe dich, kleine Schwester.
„Ich habe keine guten Nachrichten.“ Toriks Stimme klang emotionslos, doch Finn konnte seine Anspannung hören, auch wenn er mehrere Hundert Meilen
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