Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
hatte, und wie die Männer dann ihren Vater töteten, der sie retten wollte. Es war ein Schock für die ganze Gruppe gewesen, besonders aber für Coyle, Amber und ihre Mutter Aliyah. Während Amber sich ganz in sich zurückzog, war Coyle vor lauter Schuldgefühlen beinahe eingegangen, denn eigentlich sollte er an dem Tag auf seine kleine Schwester aufpassen. Sein Freund hatte sich immer noch nicht vollständig davon erholt, doch Marisas Liebe brachte ihn zu der Erkenntnis, dass er nicht sein ganzes Leben der Gruppe widmen konnte, sondern auch ein eigenes haben musste.
„Natürlich hast du uns leidgetan, du warst noch so klein und hast so viel Schlimmes erlebt. Wir hatten das Gefühl, dass du Zeit brauchst, um die Sache zu verarbeiten, und dass du von selbst auf uns zukommen würdest, wenn es so weit ist. Vielleicht hätten wir dich mehr fordern sollen, aber das hat niemand über sich gebracht.“
Ambers Mund verzog sich zu dem Hauch eines Lächelns. „Wegzulaufen war stets einfacher für mich.“
Finn zog sie in seine Arme und presste seine Lippen auf ihre Stirn. Als sie ihn nach kurzem Zögern auch umarmte, schloss er die Augen. So weit hatte Amber sich seit jenem Tag nicht mehr geöffnet, hatte niemanden so dicht an sich herangelassen. Vielleicht hatte die ganze Unruhe ja auch etwas Gutes, wenn sowohl Coyle als auch Amber aus ihren selbst gewählten Rollen ausbrachen und darüber nachdachten, was in ihrem Leben fehlte. Bei Coyle war es eine Frau gewesen, die ihn ständig forderte und eine eigene Meinung hatte. Was Amber helfen würde, musste sie selber herausfinden, doch er hatte das Gefühl, dass sie auf dem richtigen Weg war. Seine Augen öffneten sich, als ihm die Frage in den Sinn kam, was ihm selbst denn fehlte, und er sah geradewegs in Jamilas Augen, die durch das Fenster hereinblickte. Für einen Moment erstarrte er, dann löste er die Umarmung und trat einen Schritt zurück. Im gleichen Augenblick drehte Jamila sich um und ging rasch davon.
„Verdammt.“
Verwundert sah ihn Amber an. „Was hast du?“
„Entschuldige, ich muss schnell etwas erledigen.“
Amber atmete tief ein und lächelte dann. „Ich verstehe. Viel Glück.“
Finn schnitt eine Grimasse. Wie kam es, dass sie ihn so schnell durchschaute, obwohl sie die letzten Wochen überhaupt nicht im Lager gewesen war? „Können wir später weiterreden?“
„Natürlich, ich bin ein paar Tage hier.“
„Danke.“ Finn zupfte spielerisch an einer ihrer Haarsträhnen, so wie er es früher gemacht hatte. „Ich freue mich, dass du wieder da bist.“ Damit rannte er beinahe aus seiner Hütte.
Jamila versuchte, das Bild aus ihrem Kopf zu verdrängen, wie Amber in Finns Armen gelegen hatte, doch es gelang ihr nicht. Warum hatte sie nicht vorher daran gedacht? Amber war eine Berglöwenfrau und im richtigen Alter für Finn. Außerdem war sie wunderschön mit ihrer hellen Hautfarbe, den rotblonden Haaren und bernsteinfarbenen Augen. Wie hatte sie nur denken können, dass Finn sich von ihr, Jamila, angezogen fühlte? Gut, sie hatte seine Erregung gesehen, doch letztendlich wäre sie vermutlich nur eine kurze Affäre für ihn, denn für eine richtige Beziehung war sie nicht die geeignete Frau. Doch es erschreckte sie, wie weh ihr der Gedanke tat. Es war von vornherein klar gewesen, dass sie hier nur kurze Zeit bleiben würde, bis sie mit Kainda nach Afrika zurückkehrte. Trotzdem hatte sie diese Gefühle für Finn zugelassen, und das rächte sich jetzt.
Immer schneller lief sie durch den Wald, als könnte sie dem Schmerz so entkommen. Sie wollte am liebsten weglaufen, aber sie hatte versprochen, im Lager zu bleiben, und sie würde ihr Wort nicht brechen. Deshalb ging sie nur bis zur äußeren Grenze des Lagers, bevor sie stehen blieb. Ihr Blick war nach innen gerichtet, sie nahm nichts von der Natur um sie herum wahr. Sie zuckte erschrocken zurück, als Finn plötzlich vor ihr stand.
„Jamila, warte.“ Wortlos trat sie um ihn herum und wollte weitergehen, doch er griff nach ihrem Arm. „Wo willst du hin?“
„Ich will einfach nur meine Ruhe haben. Darf ich jetzt weiter?“ Hoffentlich merkte Finn nicht, wie nah sie den Tränen war.
„Nein, erst möchte ich dir das erklären, was du gesehen hast.“ Seine grünen Augen hatten goldene Flecken, ein Zeichen, wie nah sein Berglöwe unter der Oberfläche war.
„Das brauchst du nicht, es geht mich nichts an.“ Klang ihre Stimme so gleichgültig, wie sie sich das wünschte?
Finn beugte sich
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