Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
kommen. Dann wäre sie in Sicherheit gewesen.
Schließlich blieb der Mitarbeiter vor einer Tür stehen und holte einen dicken Schlüsselbund heraus. „Da sind wir.“ Er schloss die Tür auf und geleitete Marisa in den stark gekühlten Raum. An den Wänden standen Regale, auf deren Brettern tote Tiere lagen. Ein unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase. Auf Marisas erschrockenes Luftholen hin hob er entschuldigend die Schultern. „Tut mir leid, man gewöhnt sich dran, wenn man hier arbeitet.“
Marisa fröstelte in der Kälte des Raumes. „Was ist das hier?“
„Das Übergangslager, bis entschieden wird, was mit den Tieren geschehen soll. Die meisten werden von der Tierbeseitigung abgeholt, doch manche werden weiter getestet oder in seltenen Fällen auch ausgestopft und in einem Museum ausgestellt.“
Die Übelkeit wurde stärker, Marisa schaffte es nur mit aller Mühe, sich Kainda nicht ausgestopft vorzustellen. Gott. „Was ist für die Leopardin geplant?“
„Weiß ich nicht. Ich denke mal, dass sie entweder Forschungszwecken zur Verfügung gestellt oder nach weiteren Tests beseitigt wird.“ Er hob wieder die Schultern. „Ausgestellt wird sie sicher nicht, dafür ist das Fell nicht gut genug, vor allem die abrasierten Stellen, wo sie operiert wurde, stören.“
Marisa schluckte hart. Es war wirklich Kainda! Sie hatte immer noch gehofft, es wäre ein Fehler begangen worden.
Der Mann schien ihr Zögern überhaupt nicht zu bemerken, er führte sie zu einem Rolltisch, der in eine Ecke des Raumes geschoben war. „Sie war zu groß für das Regal, deshalb haben wir sie auf dem Tisch gelassen.“
„Danke, dass Sie mich hergebracht haben. Könnte ich vielleicht einen kleinen Moment …?“
„Wie Sie wollen. Aber nehmen Sie nichts mit.“ Über seinen eigenen Witz kichernd, verließ er den Raum.
Marisa dachte kurz darüber nach, ihm etwas an den Kopf zu werfen, doch dann drehte sie sich zögernd zu Kainda um. Ein Zittern erfasste ihren Körper, als sie die Leopardin so reglos dort liegen sah. Sie wirkte kleiner und zerbrechlicher im Tod, wahrscheinlich hatte ihr starker Wille sie größer erscheinen lassen. Zögernd streckte Marisa die Hand aus, brachte es aber nicht über sich, das Fell zu berühren. Erinnerungen an den Moment, als sie ihren toten Informanten in seiner Wohnung in New York entdeckt hatte, stiegen in ihr auf. Und auch an Isabels toten Vater, den sie zusammen mit Coyle in seinem Haus vorgefunden hatte. Aber Henry Stammheimer hatte sie wenigstens nicht gekannt, und außerdem war er ein Verbrecher gewesen.
Als sie im Nacken einen Luftzug verspürte, wirbelte sie herum. Torik stand in der Tür, einen grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Erleichtert presste Marisa eine Hand auf ihr wild pochendes Herz. „Gott, hast du mich erschreckt.“ Sie spürte, wie erste Tränen über ihre Wangen liefen. „Ich bin so froh, dass du da bist. Wo kommst du her?“
„Ich habe die Hintertür genommen. Ist alles in Ordnung?“
Ehe sie darüber nachdenken konnte, was sie tat, lief sie zu ihm und schlang die Arme um ihn. Ihr Gesicht vergrub sie an seiner Brust. Sie spürte, wie er sich versteifte, und wollte sich wieder von ihm lösen, doch dann umarmte er sie und zog sie fest an sich. Er gab ein leises Brummen von sich, was seltsamerweise beruhigend auf sie wirkte. Genauso wie seine Hände, die sanft über ihren Rücken strichen. Nach einigen tiefen Atemzügen fühlte sie sich etwas besser.
Mit einem verlegenen Lächeln löste sie sich von ihm. „Es tut mir leid, ich habe dich überfallen.“
Torik neigte seinen Kopf. „Kein Problem. Wollen wir jetzt gehen?“
Marisa wandte sich wieder zu Kainda um. „Eigentlich wollte ich … ich habe das Gefühl, ich sollte irgendetwas tun, aber ich weiß nicht, was.“
„Wir können der Leopardin sowieso nicht mehr helfen.“
Irritiert starrte Marisa ihn an. „Das weiß ich – und sie hieß Kainda.“
Torik sah noch einmal zu ihr hinüber. „Nein, so hieß sie nicht.“ Er nahm ihren Arm und zog sie zur Tür. „Und wir sollten jetzt wirklich gehen, ich habe ein schlechtes Gefühl.“
Verwirrt folgte sie ihm durch den langen Gang. „Was meinst du damit?“
„Nicht hier.“ Ohne sie anzublicken, führte er sie durch ein Gewirr von Gängen, bis sie bei einer Tür ankamen, die über eine steile Treppe nach draußen führte.
Ungeduldig biss Marisa auf ihre Lippe, um die Fragen zurückzudrängen, die ihr auf der Zunge lagen. Es war offensichtlich, dass
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