Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
ausgeprägt als zu ihren Lebzeiten. Selbst ihre Augen sahen heller aus, hatten nicht dieses geheimnisvolle Grün, das so einzigartig gewesen war. Ryans Blick glitt über ihre Verbände. Jetzt würden ihre Verletzungen nie mehr heilen, würde sie nie mehr frei laufen und jagen können. Verdammt, hätte er sie bloß nicht mit nach Hause genommen, dann wäre das nicht passiert! Andererseits, wenn es der Einbrecher wirklich auf Etana abgesehen hatte, wer sagte, dass er dann nicht noch einmal in der Klinik eingebrochen hätte und genau das Gleiche passiert wäre?
Es gab keine Gewissheit, und die Frage, ob er etwas hätte anders machen müssen, machen können, würde ihm noch lange zusetzen. Er konnte es sowieso nicht mehr ändern und musste mit seinen Entscheidungen leben.
Ein Räuspern ertönte hinter ihm. Ryan drehte sich nicht um. „Könnte ich einen Moment allein mit ihr sein?“
„Wir warten im Gang.“ Lynns leise Stimme, danach wurde die Tür ins Schloss gezogen.
Ryan zögerte einen Moment, bevor er sich tiefer über Etana beugte. Nicht einmal ihr besonderer Duft war geblieben, nichts erinnerte an die wunderschöne Leopardin, die ihn so fasziniert hatte. Langsam richtete er sich wieder auf und runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht. Er konnte es nicht erklären, aber er fühlte … nichts. Schon mehrere Tiere waren gestorben, die er sehr gern gehabt hatte, und es hatte ihn Trauer erfüllt, wenn er sich von ihnen verabschiedet hatte. Natürlich war es schade um das Tier, aber der tiefe Schmerz war Verwirrung gewichen. Es musste Etana sein, die Verbände … Ryan berührte das Ende des Verbands, das zwischen die Gazebahnen gesteckt war. Das war nicht seine Art, eine Bandage zu befestigen. Langsam begann er, den Verband zu lösen, bis er einen Blick auf die Wunde werfen konnte. Im ersten Moment sah alles richtig aus, doch dann bemerkte er, dass es gar keine richtigen Operationsnarben waren, sondern einfache Schnitte. Kein Blut war zu sehen, was darauf hindeutete, dass sie erst nach dem Tod gemacht wurden.
Ryan stieß seinen angehaltenen Atem aus. Erleichterung überkam ihn. Es war nicht Etana! Deshalb auch die andere Augen- und Fellfarbe und der falsche Geruch. Sein Instinkt hatte es sofort bemerkt, doch er war so in dem gefangen gewesen, was ihm sein Verstand vorgaukelte, dass er nicht darauf geachtet hatte. Aber wenn es nicht Etana war, wo kam dieses Tier her und wer hatte es so zurechtgemacht, damit es ihr ähnelte? Und vor allem – wo war Etana jetzt?
Sein erster Impuls war es, hinauszustürmen und Erklärungen zu verlangen, doch er erkannte, dass das nicht sehr klug wäre. Irgendjemand hatte offenbar genug Einfluss, um dieses Täuschungsmanöver zu starten – wer sagte, dass er nicht beobachtete, was weiterhin geschah? Also würde Ryan versuchen müssen, auf andere Weise herauszufinden, was hier los war. Und vor allem musste er Etana finden, er konnte nicht zulassen, dass irgendwelche skrupellosen Menschen ihr etwas antaten.
Noch einmal strich er sanft über das Fell der toten Leopardin. „Ich hoffe, du hattest ein schönes Leben.“
Ryan atmete tief durch und ging langsam zur Tür. Lynn starrte ihn prüfend an, als er auf den Flur trat, aber sie sagte nichts, sondern nahm nur seine Hand und führte ihn aus dem Gebäude. Er war ihr dankbar dafür, denn er fühlte sich jetzt nicht in der Lage zu reden, und vor allem sagte sein Körper ihm sehr deutlich, was er von dem Ausflug hielt. Es wurde ständig schwerer, überhaupt einen Fuß vor den anderen zu setzen, geschweige denn sich aufrecht zu halten.
„Warum habe ich mich nur breitschlagen lassen, dich hierher zu bringen? Ich wusste von Anfang an, dass es keine gute Idee ist, in deinem Zustand herumzulaufen.“ Er spürte, wie Lynn ihn von der Seite anblickte. „Hat es sich wenigstens gelohnt?“
„Ja.“ Seine Stimme hörte sich an, als käme sie von sehr weit weg, schwarze Punkte flimmerten vor seinen Augen. „Ich glaube, ich muss mich … hinsetzen.“
„Shit.“ Lynn führte ihn zu einer Bank, auf die er sich dankbar sinken ließ. „Bleib hier sitzen, ich hole den Wagen. Und ich sage dir, lass mich nicht bereuen, dass ich dir geholfen habe!“ Nach einem letzten wütenden und gleichzeitig besorgten Blick rannte sie los.
Ryan lehnte seinen Kopf an die Wand hinter der Lehne und schloss die Augen. Sicher, dass Lynn sich um ihn kümmern würde, gestattete er sich eine kurze Pause. Er würde alle Kraft brauchen, um herauszufinden, was
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