Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
so kopflos, dass sie nicht einmal auf die Richtung geachtet hatte.
Ihre Beine gaben nach, und sie sank erschöpft zu Boden. Auch wenn sie inzwischen ihr früheres Gewicht wiedererlangt hatte, fehlte ihr noch die Ausdauer, einen längeren Sprint durchzuhalten. Hätten die Berglöwen sie nicht mit Nahrung versorgt, wäre sie inzwischen verhungert. Besonders weil es hier kein freies Feld zum Jagen gab wie in Afrika. Der Bodenbewuchs und die vielen Bäume verhinderten, dass sie die nötige Geschwindigkeit erreichen konnte, und sie würde erst lernen müssen, damit umzugehen.
Jamilas Kopf ruckte hoch, als sie ein Rascheln hörte. Bevor sie irgendetwas anderes tun konnte, stand ein Berglöwe vor ihr. Ein Grollen drang aus seiner Kehle. Mühsam rappelte sie sich auf und betrachtete ihn. Er war eindeutig ein Wandler, sie konnte es wittern, aber war er einer von denen, die dagegen waren, dass sie sich im Lager aufhielt? Die Wahrscheinlichkeit war hoch, denn so gut wie jeder schien dieser Meinung zu sein. Finn hatte sie gewarnt, sich nicht zu weit vom Lager zu entfernen, weil er dann ihre Sicherheit nicht gewährleisten konnte, aber sie war so mit ihren Erinnerungen beschäftigt gewesen, dass sie überhaupt nicht daran gedacht hatte. Ein Fehler, wie sie jetzt erkannte, denn der Berglöwe war viel kräftiger als sie, Muskeln bewegten sich deutlich sichtbar unter dem Fell, während er sie beobachtete.
Schließlich verwandelte sie sich und blieb ruhig sitzen, um ihn nicht unnötig zu reizen. „Was willst du?“ Natürlich war es nicht risikofrei, denn als Mensch hatte sie gar keine Chance gegen ihn. Doch es war die einzige Möglichkeit zu erfahren, was er vorhatte.
Als sie schon dachte, er würde nicht darauf reagieren, verwandelte er sich ebenfalls. Es war Torik, einer derjenigen, die für den Schutz des Lagers zuständig waren. Seine Miene war finster wie immer, als er ihr antwortete. „Du hast dich aus unserem Gebiet entfernt und dabei die Sensoren aktiviert.“
„Oh.“ Jamila sah sich unbehaglich um. „Das habe ich nicht bemerkt, ich bin nur ein wenig gelaufen und …“ Sie brach ab. „Es tut mir leid, ich wollte dir keine zusätzliche Arbeit machen.“
Torik sah sie lange schweigend an. Schließlich nickte er knapp. „Folge mir, ich bringe dich zum Lager zurück.“ Unausgesprochen klang darin mit, dass er Jamila so schnell wie möglich an Finn oder an das andere Ratsmitglied Kearne übergeben wollte, damit die sich um sie kümmerten und entschieden, ob dies ein Fluchtversuch von ihr gewesen war oder ob sie sonst irgendein Verbrechen begangen hatte.
Zum ersten Mal regte sich so etwas wie Widerspruch in ihr, aber sie würde ihn im Zaum halten, bis sie Finn sah. An Torik wäre er nur verschwendet gewesen. Es war unmöglich zu erkennen, was er dachte oder fühlte, denn sein kantiges Gesicht war eine Maske, hinter der er seine Gedanken verbarg. Immerhin hatte er nie etwas direkt gegen sie Gerichtetes getan. Vielleicht fühlte er sich auch nicht ganz zugehörig, weil er nur ein halber Wandler war. Zumindest hatte sie von Fay gehört, dass sein Vater ein Mensch war, der aber inzwischen wieder im Indianer-Reservat lebte. Torik selbst würde sich wahrscheinlich eher die Zunge abbeißen, als jemals irgendetwas über sich zu erzählen.
Jamila schnitt eine Grimasse, als ihr klar wurde, dass sie sich genauso verhielt und Finn mit seiner Aussage völlig recht gehabt hatte. Sie konnte das Vertrauen der Berglöwenwandler nicht erringen, wenn sie sich nicht öffnete. Die Frage war, ob sie es überhaupt wollte.
Der Gedanke beschäftigte sie, als sie sich verwandelte und Torik ins Lager folgte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie schwierig es gewesen wäre, allein wieder zurückzufinden. Sie konnte nur hoffen, dass Finn ihre Erklärung glauben und ihr nicht verbieten würde, sich allein außerhalb des Lagers aufzuhalten. Ohne diese Freiheit würde sie es hier keine weitere Woche aushalten, geschweige denn eine noch längere Zeitspanne, bis Kainda wieder zurückkam und sie nach Hause brachte. Nach Hause … als hätten sie noch eines, nach allem, was passiert war. Wenn sie nach Afrika zurückkehrten, würden sie ganz von vorne anfangen und lernen müssen, zu zweit zu überleben. Und sie würde Finn nie wiedersehen.
Jamila geriet ins Stolpern, als dieser Gedanke ohne Vorwarnung durch ihren Kopf schoss. Grimmig biss sie die Zähne zusammen. Warum sollte ihr das etwas ausmachen? Oft genug hatte sie erlebt, wie sich sein Gesicht
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