Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
wenn sich der Berglöwe in ihm zurückzog. Finn kam ganz gut mit ihm zurecht, aber es war völlig klar, dass sie keinerlei Gemeinsamkeiten hatten. Als normaler Mensch wäre Kearne vermutlich Buchhalter geworden oder Steuerberater, während Finn auf jeden Fall etwas mit seinen Händen gemacht hätte. Vielleicht wäre er Tischler geworden, so wie er es hier auch war. Oder er hätte Architektur studiert. Wobei ihm die Vorstellung, fünf Jahre lang erzählt zu bekommen, wie es theoretisch gemacht wurde, nicht besonders erstrebenswert vorkam.
„Danke, dass ihr gekommen seid.“ Kearne stellte seine Aktentasche ab und sah sich in der Hütte um. „Es wird Zeit, dass wir das Ratsgebäude einrichten, das ist ja kein Zustand.“
Finn verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt, dass es wichtiger war, zuerst die Hütten zum Leben zu bauen und auszustatten.“
Kearne blickte ihn ernst an. „Deshalb habe ich bisher auch noch nichts dazu gesagt.“
Finn nickte zustimmend. „Ich werde mich in den nächsten Tagen darum kümmern.“ Als Kearne nichts darauf erwiderte, verlor Finn die Geduld. „Warum hast du uns heute hierher gebeten, doch nicht wegen der Möbel?“
Kearnes Miene verdüsterte sich. „Es ist etwas vorgefallen, das ich sehr bedenklich finde.“
Die Unruhe wurde stärker. „Was?“
„Ich habe gehört, dass die Pantherin heute nicht nur das Lager, sondern auch unser Gebiet verlassen hat.“
„Ach das.“ Finn bemühte sich, seine Erleichterung nicht zu zeigen. „Ich habe das schon geregelt, es war ein Versehen und wird nicht wieder vorkommen.“
Kearnes Gesichtsausdruck änderte sich nicht. „Mir macht weniger die Tatsache Sorgen, dass sie verschwunden war, sondern vielmehr deine Reaktion darauf.“
Finn richtete sich gerade auf, sodass er Kearne um Kopflänge überragte. „Wie bitte?“
„Ich habe gehört, du warst … sehr von der Leopardin angetan gewesen, um es milde auszudrücken.“
„Ich war was?“ Finn konnte nicht glauben, was er hörte. Wer verbreitete solch einen Unsinn?
„Da du darauf bestehst: Du hattest eine Erektion, die wohl nicht zu übersehen war. Und der Geruch, der aus deiner Hütte strömte, nachdem du sie mit hineingenommen hast – allein, wohlgemerkt –, soll sehr eindeutig gewesen sein.“
„Wer hat das gesagt?“ Finn warf Torik einen Blick zu, doch der schüttelte unmerklich den Kopf. Außer Torik war niemand in der Nähe gewesen, und überhaupt, warum sollte das jemand anderen interessieren?
„Das tut nichts zur Sache. Willst du sagen, dass es nicht so war?“
„Ich sage, dass es niemanden etwas angeht, selbst wenn es so gewesen wäre.“
Kearnes Augenbrauen zogen sich zusammen. „Und genau da irrst du dich. Als führendes Ratsmitglied musst du nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern auch zuallererst an die Gruppe denken, egal worum es geht. Eine Beziehung mit einer Leopardenwandlerin, noch dazu einer, die dazu beigetragen hat, dass wir überfallen wurden, ist völlig indiskutabel. Das würde hier niemand verstehen.“
Wut breitete sich in Finn aus, doch er bemühte sich, sie nicht zu zeigen. „Mal ganz davon abgesehen, dass ich das weder vorhatte noch vorhabe – finde ich diese Haltung ziemlich borniert und vor allem falsch. Ja, Jamila hat zusammen mit ihrer Schwester Coyle und Marisa angegriffen und auch bei Bowens Entführung mitgewirkt, aber seit sie hier ist, hat sie nichts getan, das uns geschadet hätte. Im Gegenteil, sie hilft Fay bei ihrer Arbeit als Heilerin, und auch beim Aufbau des Lagers hat sie mit angepackt, soweit ihr geschwächter Zustand es zuließ.“ Er bemühte sich zwar, seine Stimme ruhig zu halten, doch er konnte an Kearnes Gesichtsausdruck erkennen, dass die Schärfe durchklang.
„Sie hat heute das Lager verlassen!“
Kell mischte sich ein. „Wenn ich drei Monate auf das Lager beschränkt wäre, würde ich auch irgendwann durchdrehen.“
Torik nickte. „Ich habe sie beobachtet, sie ist losgelaufen, als wären alle Höllenhunde hinter ihr her. Leoparden sind verdammt schnell, ich bin kaum hinterhergekommen. Als sie sich ausgepumpt hatte, ist sie stehen geblieben. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie sich erst dort bewusst wurde, wie weit sie gelaufen ist, und nicht mehr wusste, wie sie zurückkommen sollte.“
„Vielleicht war es aber auch nur ein Versuch, uns zu täuschen, und beim nächsten Mal finden wir sie nicht wieder.“ Kearne war anscheinend nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu
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