Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
sie zumindest, was vorher die seltsamen Geräusche verursacht hatte. Während Ryan sie durch die erstaunlich große Klinik zog, versuchte Kainda, sich alles einzuprägen, damit sie möglichst schnell den Ausgang fand, wenn sie so weit war. Die Vorstellung, einfach zu verschwinden, ohne Ryan für seine Hilfe zu danken und sich zu verabschieden, löste ein seltsames Gefühl des Bedauerns in ihr aus.
Kainda schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Wichtig war nur, dass sie sich bald wieder auf die Suche nach einem Heimweg machen und Jamila zu sich holen konnte. Sie vermisste ihre Schwester mehr, als sie sich eingestehen mochte. Jamila war die Ruhige gewesen, die Vernünftige, sie konnte nur hoffen, dass sie sich bei den Berglöwen eingewöhnt hatte und ihr Leben dort halbwegs annehmbar war.
„So, da sind wir.“ Ryan öffnete eine Terrassentür und zog den Wagen hindurch, bevor er das Licht in der Klinik löschte und die Tür hinter ihnen schloss.
Kainda legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Sternenhimmel hinauf, während sie die angenehm warme Luft genoss, die ihr Fell streichelte. Auch wenn das Grundstück nicht riesig und von einem hohen Zaun umgeben war, fühlte sie sich beinahe frei. Sie zuckte zusammen, als Ryan sie berührte.
„Ganz ruhig, ich setze dich nur auf den Boden.“
Beruhigt gönnte Kainda es sich, Ryans Nähe zu genießen. Die Wärme seines Körpers an ihrem, sein Atem, der ihren Nacken streifte. Viel zu schnell trafen ihre Pfoten auf den Boden, und der Schmerz in ihrem Bein setzte wieder ein. Rasch zog sie es an und lief ein paar Schritte auf den anderen drei Beinen, um sich daran zu gewöhnen.
Es war wunderschön, endlich wieder Gras und Sand unter ihren Tatzen zu spüren, die frische Nachtluft zu riechen und sich wieder selbst bewegen zu können, wenn auch nur langsam. Erst nach etlichen Metern erinnerte sie sich wieder an Ryan. Erschrocken drehte sie sich zu ihm um.
Er stand noch an der Terrassentür, ein Lächeln im Gesicht. „Geh nur, ich warte hier auf dich.“
Dass er so genau wusste, was sie gerade brauchte, verursachte eine Wärme in ihr, die sie sich nicht leisten konnte. Sie sollte sich so weit von ihm entfernt halten, wie es nur irgend ging. Er war ein Mensch und hielt sie für eine Leopardin. So einfach war das. Ganz davon abgesehen, dass sie nicht für eine Beziehung bereit war, vielleicht auch nie wieder. O Gott, worüber dachte sie hier eigentlich nach? Es wurde eindeutig Zeit, sich zurückzuziehen. So schnell wie möglich humpelte sie in Richtung der Büsche am anderen Ende des Grundstücks. Während sie dem Nötigen nachging, suchte sie in dem Zaun eine Lücke, durch die sie schlüpfen konnte, wenn ihr Bein weit genug abgeheilt war, dass sie eine Flucht wagen konnte. Sie fand keine. Natürlich, die Pfleger achteten sicher darauf, dass die Tiere nicht aus der Klinik verschwinden konnten. Also würde sie in Menschenform darüber steigen müssen, falls die Fronttür abgeschlossen war. Oder aus einem der Fenster. Es dürfte nicht allzu schwer sein, wer erwartete schon, dass ein Mensch aus der Klinik aus brechen wollte und nicht ein.
„Etana?“ Ryans Stimme drang über das Grundstück. „Geht es dir gut?“
Sie verspürte den merkwürdigen Drang zu lächeln. Also war er doch nicht so geduldig, wie er ihr hatte weismachen wollen. Um ihn nicht noch nervöser zu machen, steckte sie ihren Kopf aus dem Gebüsch und stieß ein leises Fauchen aus.
Sein Lachen wehte ihr entgegen. „Okay, ich habe schon verstanden. Mach, was du da tun musst, und ich halte den Mund.“
Kainda zog sich wieder zurück, obwohl sie eigentlich schon fertig war, aber es konnte nicht schaden, Ryan ein wenig zu ärgern. Außerdem, wer wusste, wann sie wieder die Gelegenheit haben würde, draußen herumzulaufen, vor allem ohne ständig über die Schulter blicken zu müssen, ob jemand sie verfolgte. Vielleicht sollte sie ein wenig ihre Anschleichtechnik üben, auch wenn das mit drei Beinen schwierig war. Kainda duckte sich tiefer in das Gebüsch und suchte sich vorsichtig einen Weg am Zaun entlang zu dem Punkt, der nur wenige Meter von Ryan entfernt war. Als sie einige Blätter streifte, erstarrte sie, doch es kam keinerlei Reaktion von dem Tierarzt. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie es sein musste, nicht gut sehen, hören oder riechen zu können. Wie Menschen es trotzdem geschafft hatten, so weit zu kommen, war ihr ein Rätsel. Tief atmete Kainda ein und schloss die Augen, als
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