Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
Erinnerung an die weiche Matratze und die flauschige Bettdecke machte ihr bewusst, wie weit sie sich von einem normalen Leben entfernt hatte. Kainda schnitt eine Grimasse. Sofern man als Gestaltwandler überhaupt von so etwas wie Normalität sprechen konnte. Für beinahe jeden anderen Menschen war sie etwas Anormales, ein Fehler der Natur. Würde Ryan auch so von ihr denken? Schmerz wühlte in ihrer Brust bei der Vorstellung, dass er sie mit etwas anderem als Zuneigung ansehen könnte.
Kainda ließ den Kopf auf das Kissen sinken und versuchte, wieder einzuschlafen. Bevor Ryan gekommen war, hatte sie geschlafen, doch jetzt schien die Erschöpfung vergangen zu sein. Statt es weiter zu versuchen, begnügte sie sich damit, Ryans Atemzügen zu lauschen. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Anscheinend war er in einen tiefen Schlummer gesunken, sowie sein Kopf das Kissen berührte. Was gäbe sie darum, neben ihm zu liegen und seine Wärme zu spüren, wenigstens für einen kurzen Moment. Aber das war nicht möglich, Ryan fand es sicher nicht lustig, wenn sie sich einfach zu ihm legte. Andererseits hatte er die Käfigtür offen gelassen. Wenn er nicht gewollt hätte, dass sie herauskam, wäre sie geschlossen.
Auch wenn das nicht wirklich logisch war, beschloss Kainda, die Gelegenheit zu nutzen. Seit Tagen sah sie die meiste Zeit Gitterstäbe, es war ein gutes Gefühl, dem wenigstens für kurze Zeit zu entkommen. Lautlos erhob sie sich und setzte einen Fuß nach draußen, ihren Blick auf Ryan gerichtet. Als er sich nicht rührte, wagte sie sich weiter vor, bis sie bei der Liege ankam. Mühsam widerstand sie der Versuchung, seine Hand zu lecken, die über den Rand hing. Ryan lag auf dem Rücken, seine Schultern waren so breit, dass sie beinahe über die Matratze hinausragten. Selbst wenn sie wollte, es war kein Platz für sie auf der Liege. Seltsam enttäuscht lief sie einmal um ihn herum, doch es war nichts zu machen. Wenn sie nicht auf dem Boden schlafen wollte, musste sie in den Käfig zurückkehren.
Ein Rascheln hinter ihr ließ sie herumfahren.
„Hör auf, um mich herumzuschleichen, und komm endlich hoch.“ Ryans Stimme klang rau, und er sah sie direkt an, obwohl es dunkel war.
Verlegen wollte Kainda sich zurückziehen, aber ihre Sehnsucht nach Nähe war stärker. Ryan lag auf der Seite, sein Kopf auf eine Hand gestützt, während er mit der anderen auf die Decke klopfte. Wie sollte sie so einer Einladung widerstehen? Mühsam kletterte sie auf die Liege und ignorierte das schmerzhafte Pochen in ihrem Bein. Sie legte sich auf ihre unverletzte Seite, mit dem Rücken zu Ryan und schloss die Augen, als Ryan seinen Arm über sie legte und sie in seine Wärme und seinen Duft eingehüllt wurde. Ein zufriedenes Schnurren entrang sich ihr, das sie rasch unterdrückte.
Ryans leises Lachen drang an ihr Ohr. „Schnurr ruhig, ich finde das beruhigend.“ Seine Hand glitt durch ihr Fell und löste einen wohligen Schauder aus. Sofort legte sich sein Arm fester um sie. „Jetzt schlaf, du bist in Sicherheit.“ Damit legte er seinen Kopf zurück auf das Kissen, hielt sie aber weiterhin umfangen.
Noch während Kainda überlegte, woher sein Vertrauen in sie kam, stellte sie fest, dass es ihr egal war, solange er seine Meinung nicht änderte. Mehr als alles andere brauchte sie jetzt einen Verbündeten, jemanden, bei dem sie sich sicher fühlen konnte, bevor sie wieder aufbrach. Es war nicht fair, Ryan so auszunutzen, aber sie konnte nichts anderes machen. Auf keinen Fall durfte er die Wahrheit erfahren, wer oder vielmehr was sie wirklich war, denn auch wenn sie ahnte, dass er sie nicht verraten würde, durfte sie es nicht darauf ankommen lassen. Außerdem würde ihn das Wissen nur unnötig belasten. Heute Nacht würde sie seine Nähe genießen, ab morgen musste sie unbedingt wieder etwas mehr Abstand zwischen sie bringen, damit sie nicht in Versuchung geriet, etwas Dummes zu tun. Kainda schloss die Augen und schmiegte sich enger in Ryans Arme. Es tat gut, wieder von einem Mann gehalten zu werden, so gut …
Unruhig lief Jamila in Fays Hütte auf und ab, unsicher, was sie tun sollte. Sie hatte sich vorgenommen, mit Finn zu sprechen, damit er ihr Verhalten zumindest ein wenig nachvollziehen konnte und verstand, warum sie solche Dinge hatte tun können. Ob das reichen würde, ihn davon zu überzeugen, sie hierbleiben zu lassen? Vielleicht nicht, aber sie musste es zumindest versuchen. Hitze stieg in ihre Wangen, als sie sich daran
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