Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
von ihr gesehen, wenn sie sich der Wildnis anpasste und ein Teil der Umgebung wurde. Doch hier schien sie genauso in ihrem Element, ihr einziges Zugeständnis war, dass sie keine Schuhe trug. Der Anblick ihrer nackten Füße löste ein so intensives Gefühl der Zärtlichkeit in ihm aus, dass ihm die Luft wegblieb. Es dauerte eine Weile, bis sich das Band um seinen Brustkorb etwas gelockert hatte und er wieder atmen konnte. Glücklicherweise schien Amber nichts davon gemerkt zu haben. Wie er allerdings ihr gegenübersitzen und nicht die ganze Zeit auf den wie eine zweite Haut sitzenden Pullover – oder vielmehr ihren Körper darunter – starren sollte, war ihm ein Rätsel. Vermutlich hatte sie recht, und sie machten es sich tatsächlich damit nur noch schwerer, aber er konnte sich nicht dazu bringen, ihre Hütte wieder zu verlassen. Er brauchte dieses Gefühl von Wärme und Willkommensein mehr als alles andere.
Um ein anderes Gesprächsthema zu finden, sah er sich im Wohnzimmer um. Es bestand durchgehend aus Holz, von den Wänden bis zu den wenigen, wunderschön geschnitzten Möbeln. „Die Möbel sind von Finn, oder?“
Überrascht sah Amber ihn an. „Woher weißt du das?“
Griffin hob die Schultern. „Eines meiner Hobbys ist es, eure Gruppe zu beobachten. Dabei habe ich viel mitbekommen.“
Amber lächelte, während sie die Teller auf den Tisch stellte. „Stimmt, daran hätte ich denken sollen. Zu deiner Frage: Du wirst im Lager kaum andere Möbel finden, alle warten lieber darauf, dass Finn etwas Neues fertigstellt, als sich woanders ein Möbelstück zu besorgen.“
„Das kann ich verstehen, sie sind sehr gut.“ Er deutete auf eine leere Stelle in der Ecke des Raumes. „Wartest du auch noch auf etwas?“
Leichte Röte stieg in Ambers Wangen. „Nein, da steht normalerweise der Schaukelstuhl.“ Sie hob die Schultern. „Mir kam die Ratshütte so leer und unfreundlich vor, deshalb habe ich ein wenig umdekoriert.“
Die Wärme breitete sich weiter in Griffin aus. Sosehr er auch versuchte, Amber nicht völlig zu verfallen, es schien aussichtslos. „Die Patchwork-Decke gehört dann wohl auch dir. Hast du sie selbst gemacht?“
Amber lachte auf. „Ich kann höchstens einen Knopf annähen, und vor allem hätte ich ganz sicher nicht die nötige Geduld, um so etwas herzustellen.“ Ihre Augen leuchteten warm. „Meine Mutter hat sie genäht und mir geschenkt.“
„Sie ist wunderschön.“
„Ich werde es an meine Mutter weitergeben, wenn ich sie das nächste Mal sehe.“ Amber ging zum Kühlschrank. „Was möchtest du trinken? Wasser? Saft?“
„Saft wäre toll. Deine Mutter lebt also nicht mehr hier?“
Amber stellte ein Glas vor ihn und eine Flasche in die Mitte des Tisches. „Bedien dich.“ Sie setzte sich ihm gegenüber und nahm ihren Löffel in die Hand. „Nachdem sich der Berglöwe vor einigen Jahren in ihr zurückgezogen hat, lebt sie in einem Ort.“
Griffin, der sich gerade eingießen wollte, erstarrte. „Unter Menschen?“
„Natürlich. Sie hat inzwischen sogar einen Führerschein und eine eigene kleine Firma, über die sie unsere Naturprodukte vertreibt.“ Sie beugte sich zu ihm hinüber. „Geht es dir nicht gut?“
Seine Fingerknochen stachen weiß hervor, so fest hielt er die Flasche umklammert. Vorsichtig stellte er sie auf den Tisch zurück. „Eure Alten leben in Städten, und ihr habt sogar Kontakt mit ihnen?“
Amber runzelte die Stirn. „Natürlich. Sie sind ein wichtiger Teil unseres Lebens, auch wenn sie nicht mehr im Lager leben. Wo sind denn deine Eltern?“
Griffin spürte den üblichen Druck auf seiner Brust. „Tot. Ich war noch ganz klein, als sie gestorben sind, ich wurde von einer Tante aufgenommen.“
„Das tut mir leid.“ Ambers Augen glänzten feucht, wahrscheinlich, weil sie seine Gefühle gut nachvollziehen konnte, hatte sie doch selbst einen Elternteil verloren.
Griffin räusperte sich. „Danke.“
„Und wo ist deine Tante jetzt? Noch im Lager?“
„Ich weiß nicht, wo sie ist. Wenn sich die Adler in uns zurückziehen, gehen die Alten einfach, keiner weiß, wohin. Vielleicht können sie ohne ihre Tiergestalt nicht leben oder sie ertragen es nicht, mit denen Kontakt zu haben, die noch fliegen können.“
Mit offenem Mund sah Amber ihn an. „Das ist ja furchtbar! Die Vorstellung, dass jemand immer da war und dann plötzlich verschwindet …“
„Wir leben nicht so wie ihr, der Zusammenhalt in unserer Gruppe ist nicht so stark wie bei euch,
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