Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
fest klingen zu lassen. „Wie ich vorhin schon sagte: unter diesen Bedingungen nicht. Ich würde gerne meine anderen Großeltern kennenlernen, aber dafür werde ich nicht meine Familie und Freunde verraten.“
Eine Augenbraue hob sich. „Meinst du nicht: noch einmal verraten?“ Jennings stieß ein geringschätziges Lachen aus. „Weißt du, ich würde es ja verstehen, wenn du immer so standhaft gewesen wärest. Aber soweit ich informiert bin, hast du sie vor einigen Monaten sogar freiwillig verraten. Woher kommt dieser plötzliche Umschwung?“
Melvin presste die Lippen aufeinander. Eine Rechtfertigung würde überhaupt nichts bringen, Jennings wollte ihn nur herausfordern, damit er etwas Dummes tat.
Ärger breitete sich in Jennings’ Gesicht aus. „Denk nicht, dass du mir irgendwie entkommen kannst, Junge. Und nichts zu sagen wird dir auch nicht weiterhelfen, im Gegenteil, du zwingst mich dazu, andere Maßnahmen zu ergreifen.“ Er wandte sich um und ging zur Tür zurück.
„Ich dachte, Sie hätten meine Mutter geliebt.“
Noch einmal drehte Jennings sich zu ihm herum. In seinen blauen Augen lag eine Mischung aus Schmerz und unglaublicher Wut. „Das habe ich – bis zu dem Moment, als ich erfuhr, dass sie mich mit deinem Vater betrogen hatte.“ Melvin konnte ihn sogar verstehen, aber das rechtfertigte nicht im Mindesten seine Taten. „War das jetzt alles, oder hast du noch andere dumme Fragen?“
Melvin schüttelte stumm den Kopf.
„Gut, dann kommen wir zur Sache.“ Er schnipste mit den Fingern, und die Männer betraten den Raum.
Übelkeit stieg in Melvin auf. Wie sollte er gegen fünf Verbrecher ankommen, die noch dazu so aussahen, als würden sie Steroide zum Frühstück essen? Er selbst hatte zwar die Größe seines Vaters geerbt, war aber eher schlaksig als muskulös. Auch wenn er sich in diesem Moment instinktiv verwandeln wollte, wusste er, dass er das nicht vor Menschen tun durfte. Jennings mochte wissen, was er war, doch er hatte noch nicht den Beweis dafür gesehen. Außerdem konnte es sein, dass die Männer gar nicht eingeweiht waren, deshalb musste er sich um jeden Preis beherrschen.
Jennings nickte befriedigt, als er Melvins Unbehagen erkannte. „Du weißt, du brauchst nur zu sagen, dass du mir hilfst, und schon lassen sie dich in Ruhe.“ Er wartete seine Antwort nicht ab, sondern verließ den Raum, ohne noch einmal zurückzusehen, und schloss die Tür hinter sich.
Unsicher beobachtete Melvin die Männer und trat einen Schritt zurück. Weiter konnte er nicht ausweichen, ohne auf das Bett zu klettern oder mit dem Rücken an einer Wand zu enden. Beides würde ihm im Kampf nicht wirklich helfen. Melvin versuchte, sich an die Kampftechniken zu erinnern, die Coyle und die Wächter den jungen Männern beigebracht hatten, doch es schien alles wie ausradiert. Der Berglöwe in ihm stieß ein für andere unhörbares Grollen aus, eindeutig unzufrieden damit, in seinem schwachen Menschenkörper gefangen zu sein. Und zum ersten Mal in seinem Leben gab Melvin ihm recht.
Irgendetwas mussten sie in seinen Augen gesehen haben, denn die Männer stürzten sich in diesem Moment auf ihn. Melvin wurde zurückgeschleudert und sein Kopf knallte gegen die Wand. Halb benommen konnte er sich kaum gegen die Tritte und Schläge wehren, die auf ihn einprasselten. Nur hin und wieder gelang es ihm, mit seinen Fäusten und Füßen jemanden zu erwischen, doch er schien keinen großen Schaden anzurichten. Zuerst glaubte Melvin, sie würden ihn töten, doch anscheinend wollte Jennings tatsächlich unbedingt die Informationen von ihm haben, deshalb ließen sie nach einer Weile von ihm ab. Einer ging sogar so weit, seinen Puls zu fühlen, was Melvin sofort mit einem Fausthieb belohnte. Mit einem lauten Fluch stolperte der Schläger rückwärts. Ein anderer belohnte Melvins Tat mit einem weiteren Fußtritt, was Melvin aufstöhnen ließ.
„Das reicht, Jennings will ihn lebend.“
Wie herzerwärmend. Melvin verzog den Mund, was die Wunde an seiner Lippe wieder zum Bluten brachte. Aber er würde sich bestimmt nicht beschweren, jeder Knochen im Körper tat ihm weh. Eine Weile lag er zusammengekrümmt da und versuchte einfach nur Luft zu bekommen. Das Pochen in seinem Schädel erschwerte das Denken, deshalb dauerte es eine Weile, bis Melvin etwas bemerkte, das ihm sofort hätte auffallen müssen: Die Männer hatten die Tür nicht abgeschlossen. Zumindest hatte er nicht das Geräusch des Schlüssels gehört, nachdem sie
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