Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
hatte, verwandelte er sich und flog wieder in den eisigen Morgen hinaus. Es hatte eine Weile gedauert, bis Finn die Tür öffnete, und er war nur mit einer Jeans bekleidet gewesen. Rote Striemen überzogen eine Schulter, es war offensichtlich, was er und Jamila die Nacht über getrieben hatten. Besonders Finns zufriedener Gesichtsausdruck war Griffin aufgefallen, und er hatte einen eifersüchtigen Stich verspürt. Es hatte auch nicht geholfen, dass Finn nicht besonders begeistert über seine Rückkehr schien. Aber nachdem Griffin von dem Berglöwenjungen berichtet hatte, war das Misstrauen verschwunden, und der Ratsführer hatte sich erneut für seine Hilfe bedankt. Er hatte ihm sogar angeboten, sich ein wenig im Lager auszuruhen und aufzuwärmen, aber Griffin hatte abgelehnt. Auf keinen Fall würde er Amber länger als nötig alleine lassen. Seiner Meinung nach waren diese Einzelgänger unberechenbar und konnten Amber jederzeit angreifen. Außerdem liefen offenbar Menschen im Wald herum – es war besser, wenn er Amber im Auge behielt.
Der Gedanke an sie ließ ihn noch schneller fliegen. Ob sie sich auch fragte, wie es ihm ging? Ein warmes Gefühl durchströmte ihn, als er sich daran erinnerte, wie sie ihn angesehen hatte. Als wäre sie nur wirklich glücklich, wenn er bei ihr war. Ihm ging es ohne Zweifel genauso, er fühlte sich erst richtig lebendig, wenn Amber in seiner Nähe war, wenn er mit ihr reden und in ihre goldenen Augen blicken konnte. Und ganz besonders, wenn er sie auch berühren durfte, mit seinen Fingern über ihre weiche Haut streichen, sie mit seiner Zunge kosten, tief in sie gleiten konnte …
Griffin spürte, wie er sich zu verwandeln begann, und er sackte wie ein Stein nach unten. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, während er darum kämpfte, in Vogelform zu bleiben. Die Wipfel der Bäume kamen rasend schnell näher, in wenigen Sekunden würde er einen von ihnen streifen und abstürzen. Mit einem wütenden Schrei brachte er seinen Körper im letzten Moment unter Kontrolle und stieg wieder höher. Verdammt, er musste sich auf den Flug konzentrieren! Es brachte weder Amber noch ihm selbst etwas, wenn er zu Tode stürzte. So ein Ausfall war ihm zuletzt als Teenager passiert – nur war er damals tatsächlich auf dem Boden aufgeprallt. Dadurch hatte er schmerzhaft gelernt, nie zu vergessen, wo und was er gerade war. Es zeugte von seiner Verwirrung, dass er etwas vergessen konnte, das so natürlich wie das Atmen für ihn war. Den Schnabel fest zusammengepresst brachte er sich mit einigen harten Flügelschlägen wieder auf den ursprünglichen Kurs zurück.
Als er in die Nähe der Gegend kam, in der er Amber und ihre Begleiter vermutete, ließ Griffin seinen Blick über den Boden gleiten. Im Schnee würde er die Berglöwen oder ihre Spuren sofort erkennen. Allerdings würden die deutlichen Spuren, die er sah, auch jeden anderen zum Lager der Berglöwenwandler führen, deshalb konnten sie alle nur hoffen, dass er so schnell wie möglich wegtaute oder es wieder zu schneien begann. Griffin versuchte, sich damit zu beruhigen, dass er jeden bemerken würde, der sich in der Nähe aufhielt, doch es gelang ihm nicht ganz.
Die Berglöwenwandler waren nach den Ereignissen der letzten Monate aufgewacht und suchten jetzt nach einer Möglichkeit, in einer von den Menschen bestimmten Welt zu überleben. Vielleicht würden seine Leute die Gefahr nur verstehen, wenn ihnen etwas Ähnliches geschah. Griffins Herz zog sich zusammen. Hoffentlich nicht, denn sie waren ganz auf sich allein gestellt, sollten sie jemals in Berührung mit verbrecherischen Menschen kommen, und sie waren zu wenige, um einen solchen Kampf zu gewinnen. Und selbst wenn einige überlebten, würde die Gruppe zu stark dezimiert sein und aussterben – etwas, das ihnen vielleicht auch ohne Auseinandersetzung drohte. Denn auch wenn die Adlerwandler weniger auf Liebe zwischen den Partnern bestanden als die Berglöwenwandler, gab es mit jedem Jahr weniger Nachwuchs, viele Paare bekamen nur noch ein Kind – so wie seine Eltern. Und er selbst würde sich vermutlich gar nicht fortpflanzen. Die einzige Adlerfrau, die er auch nur halbwegs sympathisch fand, war Juna, und er hatte schnell erkannt, dass sie nicht zusammenpassten. Ihr blinder Gehorsam gegenüber den Oberen hatte ihn genervt. Außerdem schien Talon ein Auge auf sie geworfen zu haben, und er wollte seinem Freund nicht im Weg stehen.
Ein scharfer Adlerschrei hinter ihm drang durch Griffins
Weitere Kostenlose Bücher