Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
danach fragen dürfen, es war klar, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Zögernd streckte sie die Hand nach ihm aus und legte sie auf seinen Arm. »Entschuldige, es geht mich nichts an.«
Sawyer holte tief Atem und atmete schaudernd wieder aus. Einen Moment blickte er in die Ferne, bevor er ihr wieder in die Augen sah. »Neela ist … war Bricks Tochter. Sie sollte meine Gefährtin werden, aber sie ist bei dem Überfall der Menschen gestorben.«
Es war seltsam, wie sehr die Bestätigung ihres Verdachts schmerzte. »Das tut mir leid. Ich kann mir kaum vorstellen, wie schwer es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren.«
Lange sah Sawyer sie schweigend an. Dann hob er die Schultern. »Ich habe sie geliebt, sie war ein Teil meines Lebens.« Ein Aber schwang in seiner Antwort mit. Mit einer Hand fuhr er durch seine Haare. »Unsere Gruppe war klein und es gab nur wenige passende Partner. Neela war dreizehn Jahre jünger als ich, und ich habe in ihr eher eine kleine Schwester gesehen. Das wusste sie auch, aber sie war trotzdem bereit, sich an mich zu binden, damit unsere Gruppe nicht ausstirbt.« Er blickte zu Boden und rieb über seinen Nacken. »Und jetzt ist es trotzdem so weit. Neela und die anderen Frauen sind tot, genauso wie die Kinder und ein Großteil der Männer.« Als er aufsah, konnte sie Tränen in seinen Augen sehen. »Sie sind alle fort, und ich weiß nicht, was für einen Sinn es noch hat, weiterzukämpfen.«
»Sag so etwas nicht!« Ihre Brust schmerzte vor Mitgefühl. Sawyer musste unheimlich stark sein, wenn er es schaffte, seine Furcht und die Hoffnungslosigkeit die meiste Zeit über so gut zu verstecken. Als sie ihn zum ersten Mal auf Stammheimers Grundstück getroffen hatte, hätte sie nie geglaubt, dass er solch tiefen Kummer in sich trug. Sie nahm seine Hände in ihre und drückte fest zu. »Du bist nicht allein und auch, wenn euch niemand eure Gruppe ersetzen kann, gibt es noch andere Möglichkeiten für euch, als in der Wüste auf das Ende zu warten. Ich bin sicher, Finn hat deinen Leuten bereits angeboten, euch unserer Gruppe anzuschließen.«
Langsam nickte er. »Das hat er, ein Teil meiner Männer ist bereits dort. Aber ich weiß nicht, ob wir jemals wieder im Wald leben – oder uns anderen Wandlern öffnen können. Wir alle haben zu viel verloren.«
Keira stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die vernarbte Wange. »Ich will nur, dass du darüber nachdenkst.«
Für einen Moment schmiegte er seine Wange gegen ihre Lippen, dann trat er zurück. »Das werde ich. Aber jetzt sollten wir zu den anderen gehen, sie warten sicher schon ungeduldig auf uns.«
Das taten sie. Harken hatte sich bereits ausgezogen und blickte ihnen mit zusammengezogenen Augenbrauen entgegen. »Ich dachte, ihr hattet es so eilig?«
Keira drängte eine wütende Antwort zurück und neigte stattdessen den Kopf. »Das haben wir. Wie gehen wir jetzt vor?«
»Ihr wartet hier, bis ich mich melde. Ich werde die Lage im Gebäude auskundschaften und wenn möglich einige Wächter ausschalten und Türen für euch öffnen.« Er gab ihr sein Handy.
»Du nimmst es nicht mit?«
Harken lächelte schief. »Das ist das Problem, wenn ich ungesehen hineingelangen will. Ich kann nichts mitnehmen.«
Keira schlug sich mental vor die Stirn. »Natürlich, dumme Frage.«
»Kein Problem. Irgendwo werde ich dort ein Telefon finden, von dem aus ich euch anrufen kann.«
Sie neigte den Kopf. »Sei vorsichtig.«
Harken nickte knapp und verschwand.
Auch wenn sie es bereits erlebt hatte, konnte sie sich nicht daran gewöhnen. Sich in eine andere Form zu verwandeln, war eine Sache, aber in … nichts? Arme schlangen sich um ihren Oberkörper und zogen sie an eine breite Brust. Sie schmiegte sich in Sawyers Wärme, während sie den aufgeregten Ausrufen der anderen lauschte. Selbst Caruso schien die Sache nicht geheuer zu sein. Sein Blick glitt durch den Wald. Dann verstand sie, was er tat.
»Kannst du ihn spüren?«
»Ja, aber es wird immer schwächer.«
Also schien Harken auch ein Katzenwandler zu sein, denn soweit sie wusste, konnten Caruso und Isabel nur die Gefühle von Katzen spüren. Keira rieb über ihre nackten Arme. »Ich wünschte, wir müssten nicht auf seine Nachricht warten, sondern könnten gleich losschlagen.«
26
Harken bewegte sich zielstrebig auf das Gebäude zu. Ein Nachteil an seiner Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, war, dass er sich in diesem Zustand nur langsam fortbewegen konnte.
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