Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
In Tierform oder sogar als Mensch wäre er deutlich schneller gewesen, aber dann wären seine Gegner gewarnt, sobald sie ihn auf ihren Überwachungsmonitoren sahen. Deshalb durfte er keinen Fehler machen und musste seinen Zustand konsequent halten.
Er konnte sich vorstellen, wie ungeduldig die Berglöwen waren. Hoffentlich hielten sie sich an die Absprache und warteten, bis er sich meldete. Vermutlich war es viel verlangt, dass sie ihm vertrauten, obwohl sie ihn gar nicht kannten. Aber er hatte keine Zeit, sich erst monatelang mit ihnen anzufreunden – und Isabel und Bowen hatten sie erst recht nicht. Seine Hilfe war auch nicht so uneigennützig, wie sie vielleicht glaubten. Wenn dieser Lee wirklich derjenige war, den er seit anderthalb Jahren suchte, dann würde Harken die Gelegenheit nutzen und dafür sorgen, dass er niemandem mehr schaden konnte.
Die Gefahr an der Unsichtbarkeit war, dass er sich jedes Mal ein wenig selbst verlor und Mühe hatte, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Doch diesmal ließ er sich von nichts ablenken. Nicht einmal von dem Gedanken, dass er endlich nach Hause zurückkehren konnte, wenn die Bedrohung für die Wandler beseitigt war. Hellbraune Augen blickten ihn für einen Sekundenbruchteil traurig an, bevor er die Tür zu seinen Erinnerungen wieder zuschlug. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Zu groß war die Gefahr, dass er sich unbeabsichtigt verwandelte.
Mit neuer Entschlossenheit hielt er auf die Tür zu und schlüpfte durch den Spalt am Boden. Während er die hell erleuchtete Eingangshalle entlangschwebte, überlegte er sich eine Methode, wie er die Kameras ausschalten konnte, die auch das Innere des Gebäudes überwachten. Es wäre zu mühsam und auch zu auffällig, sie einzeln zu deaktivieren, am besten machte er das vom Kontrollraum aus. Nach den Erfahrungen seiner vorherigen Erkundung ging er davon aus, dass sich alle wichtigen Räume im Keller befanden.
Ohne Probleme drang er durch einen Spalt in den Fahrstuhlschacht ein und folgte ihm ins Untergeschoss. Dort verließ er den Schacht wieder und glitt einen weiteren Gang entlang. Bei der ersten Tür angekommen, hielt er kurz inne und blickte durch die Scheibe. Der Anblick des gefangenen Wandlers löste so große Wut in ihm aus, dass er beinahe seine Gestalt wieder annahm. Rasch bewegte er sich weiter und warf den anderen Türen nur einen kurzen Blick zu. In einer Zelle saß eine junge Frau auf dem Bett, das Gesicht in den Händen vergraben. Isabel . Vorsichtig glitt er näher. Sosehr er es auch wollte, er konnte ihr jetzt nicht helfen, zuerst musste er mögliche Wachmänner ausschalten, die versuchen würden, die Flucht zu vereiteln.
Gerade als er sich zurückziehen wollte, hob sie den Kopf und starrte ihn direkt an. Wie schon damals in Los Angeles, als er Marisa und Coyle heimlich gefolgt war, schien Isabel ihn auch diesmal zu bemerken. Anscheinend konnte sie selbst in dieser Form seine Gefühle spüren. Obwohl es ihm unangenehm war, dass jemand in sein Innerstes eindringen konnte, blieb er ein wenig länger, damit Isabel auf ihre bevorstehende Rettung vorbereitet war. Es schien zu wirken, denn für einen winzigen Moment hoben sich ihre Mundwinkel, bevor sie sich zur Wand umdrehte.
Harken kehrte auf den Gang zurück und glitt weiter. In der nächsten Zelle stand Bowen mit dem Gesicht zu der Wand, die seine Zelle von Isabels trennte. Seine Augen waren geschlossen. Nach kurzer Zeit hoben sich seine Lider und er drehte sich zur Tür um. Ein unmerkliches Nicken zeigte Harken, dass Bowen nun auch über seine Anwesenheit Bescheid wusste. Erleichtert, dass der Junge noch lebte und anscheinend unverletzt war, setzte Harken seinen Weg fort. Am Ende des Ganges war eine gesicherte Glastür und es dauerte einen Moment, bis er einen Spalt fand, durch den er auf den Flur dahinter gelangte.
Da die Zeit drängte, warf er nur einen kurzen Blick in einen Raum, der sich als Labor entpuppte. Niemand arbeitete hier, wahrscheinlich waren Lees Angestellte diejenigen gewesen, die vor einiger Zeit das Gebäude verlassen hatten. Dafür entdeckte er mehrere in Käfige gesperrte Wandler und er schwor sich, sie später zu befreien, egal was er dafür tun musste. Doch jetzt durfte er sich nicht ablenken lassen. Eine Tür weiter entdeckte er endlich den Kontrollraum, in dem sich drei Männer befanden. Es war nicht schwer, in den Raum einzudringen und sich in Ruhe umzuschauen.
An einer Wand waren Monitore befestigt, die verschiedene Bereiche
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