Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
sie verletzt war, beruhigte es ihn ein wenig, dass sie eindeutig noch lebte. Sawyer trat vor und legte seine Hand auf ihren Rücken. Erst dann blickte er an ihr vorbei und sah den Wachmann regungslos auf dem Boden liegen.
»Was ist passiert?« Finns Frage drückte Sawyers Gedanken aus.
Bowen, der neben Keira hockte, sah ihn beinahe beschämt an. »Ich wollte euch gerade suchen gehen, als die Tür aufgerissen wurde. Ich hatte gar keine Zeit nachzudenken, sondern habe einfach nur den Arm gehoben und er ist genau in meine Faust gelaufen.«
»Er ist umgefallen wie ein nasser Sack.« Die Frauenstimme ertönte aus einer Ecke des Zimmers.
Alle wandten sich ihr zu. Röte stieg in ihre Wangen, aber sie erwiderte die Blicke ruhig. Nach ihren langen roten Haaren und den blitzenden blauen Augen zu urteilen, handelte es sich um Isabel.
Keira stand auf und lächelte sie an. »Gut.«
Erst jetzt gelang es Sawyer wieder durchzuatmen. Verspätet sah er sich im Raum um und der Druck in seiner Brust verstärkte sich. An einer Wand befanden sich leere Käfige, die offen standen, nur in einem lag noch ein Löwenwandler. Es sah ganz so aus, als hätte Lee es seit längerer Zeit auf Wandler abgesehen. Offenbar war er skrupellos genug, sie im Dienste der Wissenschaft – oder was immer er sich auch als Rechtfertigung ausgedacht hatte – einzusperren und zu foltern. Wie sollten diese Wandler jemals wieder ein normales Leben führen? Mitleid breitete sich in ihm aus, doch er bemühte sich, seinen Gesichtsausdruck neutral zu halten.
Ein Leopard saß ein Stück von den anderen entfernt und tat so, als würde ihn das alles nicht interessieren. Wahrscheinlich war das ein Schutzmechanismus, mit dem er versucht hatte, die Gefangenschaft zu ertragen und mit dem er sich jetzt gegen die Ungewissheit wappnete. Zuletzt blieb Sawyers Blick an dem Berglöwenpärchen hängen. Beide hatten den Kopf gehoben und starrten ihn regungslos an. Seine Kehle schnürte sich zu und er atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Als ein vertrauter Geruch in seine Nase stieg, erstarrte er.
28
Keira wandte sich Sawyer zu, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es Isabel und Bowen gut ging. Seit sie das Gebäude betreten hatten, war er auffallend still, beinahe in sich gekehrt. Doch jetzt schien er sich geradezu in einen Stein verwandelt zu haben. Er stand einfach nur da und starrte die Berglöwenwandler an. Auch die beiden hatten nur Augen für Sawyer.
»Cade?« Als Sawyer schließlich sprach, war seine Stimme so rau, dass sie ihn kaum verstand.
Was meinte er damit? Bevor sie ihn fragen konnte, machte er einige wackelige Schritte auf die Berglöwen zu und sank vor ihnen auf die Knie. Keira wollte zu ihm laufen, doch in diesem Moment bewegte sich der Berglöwenmann und legte eine Pfote auf Sawyers Oberschenkel. Es wirkte, als würden sie sich kennen. Auch Finn und Caruso schienen ratlos. Zögernd ging Keira auf Sawyer zu und legte ihre Hand auf seine Schulter. Er schien es gar nicht zu merken.
»Wie kommst du hierher? Ich dachte, du wärst tot!« Sein Blick glitt zu der Berglöwin. Keira konnte spüren, wie seine Muskeln unter ihrer Hand erstarrten. »Oh Gott, Neela?«
Keira zuckte zurück. Den Namen hatte sie schon gehört. Hieß so nicht Bricks Tochter, die Sawyer als Gefährtin genommen hätte, wenn sie nicht bei dem Feuer ums Leben gekommen wäre? Anscheinend lebte sie noch und sie war hier. Der Gedanke, dass sie Sawyer nun an sie verlieren würde, zuckte durch ihren Kopf. Gleich darauf schämte sie sich. Neela musste furchtbare Qualen während ihrer Gefangenschaft erlitten haben. Es war ihr wirklich zu gönnen, dass sie nicht nur ihre Freiheit, sondern auch den Mann wiederbekam, den sie liebte. Trotzdem pochte Keiras Herz schmerzhaft, als sie sah, wie Sawyer sich über sie beugte.
Erst ein gequälter Laut riss sie aus ihrer Betrachtung. Isabel schwankte, ihr Gesicht war schneeweiß. Mühsam riss Keira sich zusammen. Später war immer noch Zeit, um das zu trauern, was sie verloren hatte. Jetzt musste sie sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Entschlossen straffte sie die Schultern.
»Wir sollten jetzt gehen, bevor uns jemand entdeckt.« Wenn die anderen merkten, wie belegt ihre Stimme klang, kommentierten sie es nicht.
Finn nickte zustimmend. »Okay, los geht’s.« Er blickte sich um. »Sawyer, Bowen, fasst mit an.« Gemeinsam hievten sie den Löwen aus dem Käfig und legten ihn auf einen rollbaren Tisch. Seine Pfoten ragten über die Kanten hinaus, sein
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