Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
telefonisch nicht erreichbar, obwohl sie eigentlich längst zurück im Motel sein sollten.« Finn massierte seinen Nasenrücken. »Bowen ist felsenfest davon überzeugt, dass er Isabels Angst gespürt hat. Aber selbst wenn es nicht so wäre, müssen wir Bowen unbedingt daran hindern, in die Menschenwelt zu gehen.«
»Ich suche schon mal seine Spur und komme dann hierher zurück, wenn ich sie gefunden habe.«
»Danke.« Finn beobachtete, wie sich Falk verwandelte und zwischen den Bäumen in den Wald eintauchte. Mit einem tiefen Seufzer kehrte er zu seiner Hütte zurück und weckte Jamila, damit sie weiterhin versuchte, Isabel und Keira telefonisch zu erreichen, während er unterwegs war.
7
In ihre Grübeleien versunken betrat Keira das schwach beleuchtete Parkhaus, das am späten Abend menschenleer war. Sie hatte im Flughafengebäude keine Spur von Isabel entdecken können, nicht einmal einen Hauch ihres Duftes. Das ließ nur den Schluss zu, dass die Menschenfrau nicht dort gewesen war. Aber wo konnte sie sonst sein? Die Polizistin schien davon auszugehen, dass der Verbrecher den Flughafen betreten hatte. Aber was, wenn Isabel ganz woanders hingebracht worden war und sie nie eine Spur von ihr finden würden? Keiras Herz zog sich schmerzhaft zusammen, während sich ihr Schuldgefühl vervielfachte. Sie konnte sich nicht vorstellen, Isabel nie wiederzusehen oder nur noch ihre Leiche zu entdecken.
Keira presste die Handballen gegen ihre Augen. Wie sollte sie damit leben, wenn durch ihre Unachtsamkeit jemand umkam, den sie beschützen sollte? Es gab nicht viel, auf das sie in ihrem Leben stolz war, nur ihre Arbeit als Wächterin füllte sie wirklich aus. Aber anscheinend war sie selbst dazu nicht mehr in der Lage. Ihre schmerzenden Beine drohten unter ihr nachzugeben, deshalb lehnte sie sich mit dem Rücken an eine der Betonsäulen. Sie war eindeutig zu unaufmerksam gewesen, hatte die Aufgabe nicht ernst genug genommen, und deshalb musste eine junge Frau nun leiden. Langsam rutschte Keira an der Säule nach unten, bis sie auf dem Boden saß. Mit einem Stöhnen vergrub sie den Kopf an ihren Knien.
Sie war so in ihr Elend versunken, dass sie Sawyers Anwesenheit erst bemerkte, als sich seine Arme um sie schlangen und er sie hochhob. Normalerweise hätte sie protestiert, doch im Moment fühlte sie sich so schwach, dass sie nur ihr Gesicht an seinem Hals vergrub und sich von ihm wegtragen ließ. Keira wusste nicht, wohin er sie brachte, und es war ihr auch egal. Hauptsache weg von hier. Es fühlte sich überraschend gut an, von einem Mann getragen zu werden, als wiege sie kaum etwas.
Noch nie hatte sich jemand in ihrer Gruppe getraut, auch nur anzudeuten, dass sie nicht in der Lage wäre, selbst zu gehen. Sie wussten, dass Keira sie dann in der Luft zerrissen hätte. Sawyer dagegen hatte nicht gefragt und er schien auch keine Angst zu haben, dass sie sich gegen ihn wehrte. Das mochte sie an ihm, auch wenn sie es ihm gegenüber nie zugeben würde. Es war anstrengend, immer stark zu sein und vorzugeben, dass sie niemanden in ihrem Leben brauchte, der sie stützte. Keira schloss die Augen und atmete tief seinen Duft ein. Am liebsten hätte sie mit der Zunge seinen Geschmack getestet, doch sie beherrschte sich.
Ihre Augen flogen auf, als Sawyer sie langsam absenkte, bis ihr Po auf etwas Hartem landete. Ein warmer Luftzug strich über ihren Nacken und sie hob widerwillig den Kopf. Ihr Atem stockte, als sie das Panorama von Las Vegas unter sich ausgebreitet sah, während in der Ferne die Berge lockten. Tausende bunter Lichter blinkten im Sekundentakt, um die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zu lenken. Die beleuchteten Silhouetten der Hotels hoben sich gegen die in der Dunkelheit graue Bergkette ab. Keira versuchte, sich aufzusetzen, doch Sawyer hielt sie weiterhin gegen seinen Körper gepresst. Ohne weiter darüber nachzudenken, entspannte sie ihre Muskeln und ließ sich dankbar gegen seine Wärme sinken.
Schweigend standen sie lange Zeit in der offenen Ausbuchtung des Parkhauses und ließen den Anblick auf sich wirken. Sawyers Kinn stützte sich auf ihren Kopf, eine Hand lag auf ihren Rippen, die andere auf ihrem Oberschenkel. »So aus der Ferne kann man es tatsächlich ertragen.« Seine rumpelnde Stimme vibrierte in ihrem Oberkörper.
Dass er so genau ihre Gedanken aussprach, ließ sie sich ihm noch näher fühlen. Tränen traten in ihre Augen und sie blinzelte sie hastig fort. Sie weinte nie, schon gar nicht, wenn
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