Giacomo, der nackte Wahnsinn
zu zögern mit ihm teilen wolltest. Das Gefühl möchte ich in keiner Variation mit dir im Zusammenhang nochmal erleben. Tut mir leid, aber so verlockend dein Angebot auch sein mag, du hast dir das damals selbst verbaut.«
»Also habt ihr schon Sex mit anderen, nur ich falle aus der Auswahl im Vorhinein raus?«, fragte Giacomo.
»Genau so ist es«, antwortete Frank und sah ihm fest in die Augen. Justin ahnte, was jetzt in Giacomo vorging. Er selbst hatte das gleiche Gefühl drei Jahre zuvor ebenfalls gehabt. Es tat weh, abgewiesen zu werden, egal, wie cool man tat. Vermutlich nutzte es Giacomo in diesem Moment auch nicht viel, dass sich die meisten Männer der schwulen Szene ihm immer noch liebend gerne als Spielzeug zur Verfügung stellen würden. Frank hatte ihm ein Stoppschild hochgehalten, das er nicht umgehen konnte. Er versuchte, mit einem halbherzigen Angriff die Situation für sich selbst erträglicher zu machen.
»Du weißt ja immer sehr genau, wen du willst und wen nicht. Erstaunlich für jemanden, der sich gerne zeigen lässt, wo es langgeht. Und der nach mehr schreit, wenn sein eigener Wille auf die harte Tour zunichte gemacht wird.«
»Es interessiert mich einen Scheiß, ob du das erstaunlich findest oder nicht. Meinen Willen gebe ich erst auf, wenn ich weiß, dass ich dem anderen vertrauen kann. Falls ich das je anders gemacht habe, hatte ich in Justin inzwischen einen guten Lehrer, der mir beigebracht hat, dass das ein Fehler war.«
Justin spürte, wie die beiden Männer einen stummen Kampf austrugen, obwohl sie sich nun geraume Zeit anschwiegen. Er wollte es nicht unterbrechen, weil er ahnte, dass es wichtig war. Aber es tat unendlich gut zu hören, wie Frank über die Sache dachte und welche Rolle er ihm dabei zugestand.
»Du hast recht«, sagte Giacomo schließlich. »Ich sage ja, es war eine wilde Zeit. Und ganz sicher war einiges nicht richtig. Einiges aber vielleicht auch doch. Ich will jetzt lieber nicht davon anfangen, wer wen mit was scharf gemacht hat. Das führt zu nichts und ich denke, jeder von uns weiß sehr genau um die Vorlieben, denen er trotz der Zweifel nicht widerstehen konnte. … Das alles ist kalter Kaffee, den ihr offensichtlich auch nicht aufwärmen möchtet. Ihr macht euer Ding, und es sieht ja so aus, als würdet ihr damit gut fahren. Dann mal alles Gute für euch. Haltet die Ohren steif und die Schwänze hart.« Er grinste, hob die Hand zum Gruß und ging zur Rolltreppe. Justin beobachtete Frank, der ihm hinterher blickte.
»Und? Bedauerst du deine Ablehnung? Zumindest so ein kleines bisschen?«, fragte er leise. Frank schüttelte den Kopf und seufzte. »Er sieht immer noch umwerfend aus und er hat seine Spielchen noch gut drauf. Ein Grund mehr, ihm nicht mehr auf den Leim zu gehen. Es wäre nicht gut gegangen, wenn wir ihn zwischen uns gelassen hätten. Oder denkst du anders darüber?«
»Nein, das tue ich nicht. Ich bin froh über deine Entscheidung. Und ich bin froh, dass diese Begegnung nun endlich mal stattgefunden hat.« Frank atmete tief durch. »Mir geht es ganz genauso. Das war ein mieser, fieser Test vom Leben. Aber ich denke, wir haben ihn bestanden.«
»Okay, dann sollten wir jetzt mal die Klamotten bezahlen gehen. Und dann möchte ich mit dir nach Hause. Irgendwie habe ich jetzt das dringende Bedürfnis, mir den Mann vorzunehmen, der nicht möchte, dass ich mit Giacomo geteilt werde. Das hat mich tierisch angemacht. Mal sehen, ob ich das nicht dazu einsetzen kann, dich heute so richtig willenlos und glücklich zu machen.«
Frank grinste. »Ich bin überzeugt davon, dass dir das wie immer grandios gelingen wird.«
Sie sahen sich in die Augen und da waren nur noch die Gedanken füreinander. Giacomo spielte darin keine Rolle mehr.
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