Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
sein Urin so toxisch geworden war, dass er unsere Haut verbrennen konnte. Kate musste besonders vorsichtig sein, da sie oft abwechselnd bei Reef die Windeln wechselte und ihre Muttermilch abpumpte und für Finn in Flaschen füllte, die dann quer durch die Stadt gefahren wurden.
Es war schlimmer als grauenhaft. Andere Eltern von Kleinkindern beschäftigten sich zwanghaft mit Bionahrung oder zerbrachen sich den Kopf wegen ein paar Pommes oder eines Eiscremebällchens, aus Angst, ihr Kind könnte zu viel Salz oder Zucker bekommen. Wir hingegen pumpten Reef mit so vielen Chemikalien voll, wie er nur verkraften konnte. Der Rest seines Körpers musste damit klarkommen, denn vorrangig galt es, den Tumor auszumerzen, danach kam lange nichts.
»Ich kann kaum das Ende meiner Behandlung erwarten«, sagte Kate, genauso wie sie sich das auch bei Reef Monat um Monat, Jahr für Jahr gewünscht hatte. »Ich wünsche mir einfach, dass wir wieder eine normale Familie sind. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
»Nein«, sagte ich. »Ist es wirklich nicht. Du musst einfach nur so weitermachen. Du machst die Behandlung doch ohnehin mit links. Es kommen auch wieder andere Zeiten. Erinnere dich doch, bei Reef dachten wir auch, dass die Behandlung nie ein Ende nehmen wird. Es waren zwei fürchterliche Jahre, aber wir haben sie überstanden. Und sieh ihn dir jetzt an, er macht sich so gut. Auch bei dir wird es nicht mehr lang dauern.«
9. August 2009
Zu Reefs fünftem Geburtstag besuchten wir mit den Enkelsöhnen einen Bauernhof in der Nähe und hatten dort trotz der Schauer einen schönen Tag.
Kate kam am Wochenende zu einer schicken Familienhochzeit mit nach Sonning, und alle freuten sich, Katie so hübsch zu sehen, nachdem sie jetzt wieder Haare hat.
Ich habe sie diese Woche zur Chemo begleitet, unterwegs hat sie mir gestanden, dass sie darum bitten wollte, ihr die letzten vier Behandlungen zu erlassen, weil sie überall Schmerzen hatte. Der Facharzt meinte, dass die Schmerzen vermutlich eine Nachwirkung der Bestrahlungen sind. Inzwischen sind es nur noch drei, und Kate denkt, dass sie die restlichen Behandlungen auch noch aushalten kann. Wenn doch schon der 8. Oktober wäre!
Reef kann nun ohne Stützräder Fahrrad fahren – wow, seht mal, was ich kann!
16. September 2009
Die Ärzte sind besorgt wegen Katies Blutwerten und nehmen weitere Untersuchungen vor. Sie leidet unter heftigen Rückenschmerzen, was womöglich auf die Bestrahlungstherapie oder eins der Medikamente zurückzuführen ist, die sie genommen hat, vielleicht liegt es aber auch einfach an einer Fehlhaltung, die sie seit ihrer Operation eingenommen hat. Sie war bei Martins Chiropraktiker, der ihr offenbar helfen kann, sie wieder beweglicher zu machen. Wir sind sehr stolz darauf, wie sie trotz der vielen Sorgen so tapfer und fröhlich bleibt.
Reef ist wieder in der Schule, auf die er sehr gern geht. Bei seiner letzten Untersuchung im Krankenhaus in dieser Woche war er putzmunter und wollte wissen, wie viel er gewachsen ist, seine Brust hat er problemlos röntgen lassen. Zu den Kernspinuntersuchungen muss er nun alle sechs Monate und er macht das gut. Sein Beinlängenwachstum scheint sich auch normal zu entwickeln, er ist unglaublich auf seinem Fahrrad. Außerdem bekommt er Schwimmunterricht, der ihm Spaß macht. Im Lesen und Schreiben macht er ebenfalls gute Fortschritte.
Der kleine Finn ist zum Totlachen – voller Energie und eine Quasselstrippe. Nach den Sommerferien haben sie sich fertiggemacht, um zur Schule und in den Kindergarten zu gehen. Finn hat es irgendwie geschafft, sich in Reefs Schlange vor der »großen Schule« einzuschleichen, sodass Kate ihre liebe Mühe hatte, ihn da wieder herauszuholen und in den Kindergarten zu bringen.
8. Oktober 2009
Wir können es nicht fassen: Ausgerechnet am Tag von Katies letzter Chemobehandlung hat man in Reefs Leiste zwei besorgniserregende Lymphknotenschwellungen entdeckt. Sie sollen morgen bei einem Notfalltermin untersucht werden.
16. Oktober 2009
Reefs Facharzt ist zufrieden, dass seine »Knoten« von einer Infektion verursacht wurden, die ihrerseits durch einen Sturz auf sein krankes Bein ausgelöst worden war. Kate hat immer noch Rückenprobleme und hustet, auch ihre Blutwerte sind nicht normal, aber wie üblich steckt sie alles weg. Man wird an ihr vielleicht eine Bronchostomie vornehmen, um Lungengewebe zu entnehmen und nach der Quelle ihres Unwohlseins zu suchen. Der Facharzt hat bestätigt, dass ihre
Weitere Kostenlose Bücher